In Sachsen versammeln sich Gegner der Corona-Politik - etwa in Freiberg. Warum sie dabei die Taktik des "Spazierens" nutzen und was Experten und Behörden dazu sagen.
Die Corona-Lage in Sachsen ist angespannt - nicht nur wegen der hohen Infektionszahlen in dem Freistaat. Sorgen bereiten den Behörden auch die regelmäßigen Proteste von Querdenkern und Gegnern der Corona-Maßnahmen - besonders an diesem Montag ist die sächsische Polizei in Alarmbereitschaft.
Der Grund: Verschiedene Gruppierungen haben zum "Widerstand" gegen die Corona-Maßnahmen aufgerufen, über die am Montag im sächsischen Landtag diskutiert wurde.
In Dresden werden heute gewaltbereite Corona-Proteste vor dem Landtag erwartet, der sich über die landesweiten Verschärfungen der Corona-Maßnahmen berät. Im Gespräch dazu Cornelia Schiemenz.
"Spaziergang" als Protest gegen Corona-Regeln
Die Bilder des Fackelaufmarschs vor dem Haus der sächsischen Gesundheits- und Sozialministerin Petra Köpping (SPD) sind gerade erste wenige Tage alt - schon gibt es die nächsten Proteste. "Ob beim Spaziergang oder alleine: Geht morgen zu euren Rathäusern und stellt Kerzen auf! Unser Licht gegen die Dunkelheit, die die herrschende politische Schicht über unser Land bringt", hieß es am Sonntag in mehreren Telegram-Gruppen.
Aufgerufen wurde zu sogenannten "Spaziergängen" in Sachsen, aber auch in Sachsen-Anhalt. So wollen die Demonstrierenden die offizielle Genehmigung umgehen, die für eine angemeldete Demonstration nötig wäre. Die Teilnehmenden werden aufgefordert "mit Abständen loszuspazieren" und Ansammlungen zu verhindern.
"Kaum jemand zeigt eine derartige Versammlung an, das widerspricht dem Charakter der Teilnehmer, die die Zusammenarbeit mit behördlichen oder staatlichen Institutionen ablehnen", erklärt ein Sprecher der zuständigen Polizeidirektion Chemnitz gegenüber ZDFheute.
Freiberg in Mittelsachsen im Fokus
Im Fokus steht neben den Protesten vor dem Dresdener Landtag auch die Stadt Freiberg im Landkreis Mittelsachsen. Dort treffen sich Gegner der Corona-Politik wöchentlich zu besagten "Spaziergängen". Diesen Montag hat sich etwa der antisemitische Verschwörungsideologe und QAnon-Youtuber Hans-Joachim Müller - von seinen Fans HaJott genannt - zum Protest in der Stadt angekündigt.
Auch andere Teilnehmende, die sich etwa in der Telegram-Gruppe "Montagsspaziergang Freiberg-Sachsen" versammeln, stehen dem rechten und rechtsradikalen Spektrum nahe.
Die Polizei ging laut eigenen Angaben am Montagabend gegen einzelne Teilnehmende vor.
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Offener Brief der Initiative "Freiberg für alle"
Der Landkreis Mittelsachsen ist aktuell derjenige mit der zweithöchsten Corona-Inzidenz in ganz Deutschland.
Auch deshalb gibt es Widerstand gegen die "Spaziergänge". "Mit Unverständnis, Sorge und immer größerem Zorn beobachten wir die montäglichen 'Corona-Spaziergänge' durch Freiberg“, heißt es in einem Offenen Brief der Initiative "Freiberg für alle" vom Montag.
Ausgerechnet in einer Zeit, in der sich die Pandemie-Situation zuspitze, gingen einige Freibergerinnen und Freiberger gemeinsam mit Rechtsextremen wie den sogenannten 'Freien Sachsen' auf die Straße und trügen damit erst recht zur Verbreitung des Virus bei.
Von der Politik werde erwartet, "diese illegalen Demonstrationen nicht länger zu dulden".
Kritik am Vorgehen der Polizei
Kritik gibt es nicht nur an der Reaktion der Politik, sondern auch an der Polizei. Immer wieder sieht diese sich mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht hart genug gegen die Corona-Leugner- und Querdenker-Szene vorzugehen. Wenn die Polizei bei Demonstrationen nicht eingreife, strahle das in diese Szene zurück, erklärte die Sozialpsychologin Pia Lamberty ZDFheute.
Sie hätten dann das Gefühl, im Recht zu sein - und dass die Polizei mit ihnen sympathisiert. Auch Extremismusforscher Oliver Decker fordert Polizei und Behörden dazu auf, sowohl aktiver gegen die Corona-Aufmärsche, als auch die Strukturen dahinter vorzugehen. Das erklärte er am Morgen im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF.
Polizei: Proteste in Freiberg überwiegend friedlich
Die Polizeidirektion Chemnitz wehrt sich gegen den Vorwurf, bei den "Spaziergängen" nicht hart genug durchzugreifen. Bisher sei die überwiegende Zahl der Einsätze in Freiberg anlässlich der Versammlungen friedlich verlaufen, heißt es.
"Wir werden weiterhin geltendes Recht unter Beachtung der Rechtsstaatlichkeit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durchsetzen", sagt der Sprecher. Den "Spaziergängen" gewaltsam entgegentreten, entspreche jedoch nicht der Linie der Polizei und könne auch nicht die Lösung der Gesamtproblematik sein.
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Die Corona-Neuinfektionen sind so hoch-, Personal auf den Intensivstationen so knapp wie nie. Warum sich die Lage gegenüber der 2. und 3. Welle verschärft hat: