Aus Politik und Wissenschaft mehren sich die Rufe nach einer nochmaligen Verschärfung der Corona-Maßnahmen. Uneinigkeit herrscht aber über die Frage, wie die aussehen könnte.
Die Politik diskutiert über eine weitere Verschärfung des Corona-Beschränkungen - Kanzleramtschef Helge Braun hält in der Corona-Krise gar eine "Kraftanstrengung" bis zum Sommer für nötig. Die Infektionszahlen müssten gesenkt werden, besonders die nächsten drei bis vier Monate würden schwer, sagte Braun am Freitagabend auf dem digitalen CDU-Parteitag. Im Sommer werde sich alles sehr gut fügen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sprach von drei schweren Monaten und sagte dem Nachrichtenportal t-Online:
Beratungen schon kommende Woche
Angesichts der angespannten Lage ziehen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder ihre ursprünglich für den 25. Januar geplanten Beratungen um knapp eine Woche auf den kommenden Dienstag vor. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) plädiert für eine umfassende Ausweitung der Maßnahmen. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er:
Insbesondere die hohe Ansteckungsrate der neuen Mutation beunruhige ihn sehr. Die aus Großbritannien stammende Variante gilt als weit ansteckender als die bisher bekannte. Forscher befürchten, dass sie der vorherrschende Typ wird und die Infektionszahlen wieder rasant steigen: Die Corona-Pandemie wäre dann womöglich kaum einzudämmen.
Nach Expertenmeinung infektiöser, aber nicht tödlicher: neue Corona-Mutationen in Deutschland. Über ihre Ausbreitung bei uns gebe es wegen mangelnder Sequenzierung nicht genug Erkenntnisse, anders als in Großbritannien. Das soll sich jetzt ändern.
Auch an diesem Samstag liegen die täglichen Neuinfektionen laut RKI wieder bei über 18.000 und die Totenzahlen bei knapp 1.000. Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche lag am Samstagmorgen laut RKI bei 139,2. Zielmarke der Politik sind 50, weil die Lage dann als beherrschbar gilt.
Sind Ausgangssperren die Lösung?
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erklärte in der "Rheinischen Post":
Brinkhaus und Hans sprachen sich dafür aus, in der Bund/Länder- Beratung auch nächtliche Ausgangsbeschränkungen zu erwägen. "Es muss alles auf den Tisch gelegt werden", sagte Brinkhaus im WDR. Hans erläuterte: "Dies gilt für das Thema Ausgangssperre, aber auch für die Diskussion um die Arbeit im Homeoffice." Die Vizechefin der SPD-Fraktion, Bärbel Bas, regte im Redaktionsnetzwerk Deutschland eine Homeoffice-Pflicht an. Allerdings müsste die auch durchgesetzt werden.
Dazu sagte der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, der "Saarbrücker Zeitung":
Lauterbach plädiert für harten Lockdown
Druck macht auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. "Entweder geht es mit dieser Form des Lockdowns noch mindestens sechs bis acht Wochen weiter, bei 500 bis 1.000 Toten am Tag und einem hohen Risiko, dass sich die Mutation weiter verbreitet", sagte er der "Rheinischen Post". Oder es brauche - wofür er eintrete - eine "Alternative: einen wirklich harten Lockdown, der aber nicht so lange ginge. Dann wären die Geschäfte und nicht lebenswichtigen Betriebe sowie die Schulen dicht, die Kontaktbeschränkungen würden noch einmal deutlich verschärft."
Allerdings gibt es auch Warnungen, etwa aus der Expertengruppe der Akademie Leopoldina, die das Kanzleramt berät. Der Vorsitzende des Rats der Wirtschaftssachverständigen, Lars Feld, wies auf "ausdifferenzierte Lieferketten" hin. Er sagte der "Rheinischen Post":
Eine abermalige Verschärfung dürfe "nicht zu einem Problem für die Versorgungslage der Bevölkerung werden".
Kanzlerin Merkel jedenfalls zeigt sich trotz allem optimistisch. Sie erinnerte am Freitagabend auf dem CDU-Parteitag an Herausforderungen wie die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die EU-Schuldenkrise und die Migration. Deutschland habe immer wieder zu neuer Stärke finden können. Das werde auch nach der Pandemie so sein.