In etwa drei Monaten soll er kommen: der EU-Impfpass. Und dann? Entschieden ist noch nichts, sagt Kanzlerin Merkel nach dem EU-Videogipfel. Einige Länder machen jedoch Druck.
Sommerurlaub dank digitalem Impfpass und Schnelltests? Einige EU-Mitgliedsstaaten unterstützen dies sehr, doch Merkel hält sich vorerst zurück.
Die EU will bis zum Sommer einen europaweit gültigen Impfausweis einführen, um Urlaubsreisen zu ermöglichen. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag nach einer Videoschalte der Staats- und Regierungschefs sagte, benötigt die EU-Kommission "etwa drei Monate", um die technischen Voraussetzungen für das digitale Dokument zu schaffen. Angesichts der zunehmenden Ausbreitung von mutierten Coronaviren sprach sich der Gipfel gegen zu schnelle Lockerungen von Beschränkungen aus.
Vorbild für Impfpass kommt aus Israel
EU-Ratschef Charles Michel sagte, die 27 Staaten näherten sich in ihren Vorstellungen immer weiter an. Welche Rechte an das gemeinsame Dokument geknüpft sind, würde dann jedes Land für sich entscheiden. Länder wie Österreich, Bulgarien oder Griechenland hatten zuvor Druck gemacht. Sie wollen Geimpften, Getesteten und Genesenen wieder mehr Freiheiten einräumen.
Vorbild für den Vorstoß ist der "Grüne Pass" in Israel, wie Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte. Dort können von einer Corona-Infektion genesene Menschen und jene, die gegen das Virus geimpft sind, seit Sonntag unter anderem wieder Fitnessstudios, Theater und Sportereignisse besuchen. In der EU setzen vor allem südliche Länder auf das für sie so wichtige Tourismus-Geschäft.
Innerhalb von drei Monaten will die EU einen Corona-Impfpass einführen. "Die technischen Details sind noch offen", sagt ZDF-Korrespondent Gunnar Krüger.
Die Arbeit an gemeinsamen Impfausweis soll nun vorangetrieben werden, wie es in den gemeinsamen Gipfel-Schlussfolgerungen heißt. Bislang hatten sich die 27 EU-Staaten nur darauf geeinigt, dass es einen gegenseitig anerkannten Impf-Nachweis für medizinische Zwecke geben soll. Angedacht sind eine Datenbank zur Registrierung der Impfungen und ein personalisierter QR-Code für Geimpfte.
Bundeskanzlerin: Noch keine Entscheidung zum Reisen
Mit Blick auf mögliche Vorteile für Geimpfte betonte Merkel: "Alle haben heute darauf hingewiesen, dass das zurzeit bei der geringen Durchimpfung der Bevölkerung gar nicht das Thema ist. Aber man muss sich ja vorbereiten." Das heiße nicht, dass künftig nur reisen dürfe, wer einen Impfpass habe.
Die Kanzlerin stellte außerdem eine mögliche Abwendung vom Inzidenzwert 35 unter Bedingungen. Man müsse "sehr gründlich" schauen, ob man sich durch vermehrtes Testen auch mit neuen Selbsttests einen "Puffer" erarbeiten könne, um in der Inzidenz "etwas höher" als 35 gehen zu können, sagte Merkel.
Kanzlerin Merkel stellt die Ergebnisse des EU-Gipfels vor - die gesamte Pressekonferenz sehen Sie hier.
Umfangreiches Testen als Voraussetzung
Das setze ein breites Testen voraus. Dazu gehörten Tests in Schulen und Kindertagesstätten, vermehrte Tests in Betrieben sowie Angebote für Tests in Testzentren. Die Wirksamkeit der neuen Selbsttests müsse zudem mit der Wirksamkeit der Antigen-Schnelltests verglichen werden, sagte die Kanzlerin.
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Derzeit gilt für die Bundesregierung eine Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche als ein Richtwert für mögliche Lockerung von Kontaktbeschränkungen. In den verschiedenen EU-Ländern sei die Situation unterschiedlich, berichtete Merkel nach den Beratungen mit ihren Kollegen.
Besonders schwer hätten es Tschechien und die Slowakei, auch Ungarn erwarte eine dritte Welle. Länder wie Irland und Portugal seien "äußerst vorsichtig", was Öffnungsstrategien angehe. Merkel verteidigte die deutschen Grenzkontrollen an einigen Grenzen zu Nachbarländern wie Tschechien, die auf Kritik gestoßen sind. Man sehe sich in einzelnen Fällen dazu gezwungen, zugleich arbeite man am freien Warenverkehr und daran, dass Pendler die Grenzen passieren könnten.
Jährliche Impfungen gegen Corona?
Die EU-Länder gehen nach den Worten der Kanzlerin allgemein davon aus, dass man wegen der Mutationen des Virus vielleicht "viele Jahre" lang immer wieder neu gegen Corona werde impfen müssen. Sie verwies auf die Grippe, von der sich auch immer neue Varianten bilden, gegen die regelmäßig neu geimpft wird.
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Chefs und Chefs: Die einen machen Politik, die anderen Impfstoffe. Zeitgleich laufen ein EU-Gipfel und eine Anhörung mit Pharma-Chefs. Digitale Parallelwelten - manchmal.