Angriff, Gegenangriff: Die Länder wehren sich gegen den Vorwurf der Kanzlerin, sie hielten die Notbremse nicht ein. Das Spiel "Wer hat Schuld an der dritten Welle?" hat begonnen.
Wer seinen Gegner ins Herz treffen will, schlägt ihn mit dessen eigenen Mitteln. Man hätte den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und CDU-Kanzlerin Angela Merkel bislang nicht unbedingt als Kontrahenten bezeichnet. Seit Sonntagabend scheinen sie es zu sein.
Erst hatte die Kanzlerin Laschets Nordrhein-Westfalen im Interview bei "Anne Will" vorgehalten, das Land halte die vereinbarte Notbremse gegen die Ausbreitung von Covid-19 nicht ein. NRW begehe wie andere Länder im Grunde Gesetzesbruch. Am Morgen danach schlägt Laschet zurück, mit den Merkel-Worten, für die sie am Anfang der ersten Welle so gelobt worden ist: "Die Lage ist ernst, wir nehmen sie ernst." Was so viel heißt wie: Danke, wir brauchen keine Belehrung.
Bohren in der Osterruhe-Wunde
Die Notbremse, sagt Laschet, werde von den Bundesländern eingehalten. Auch in Nordrhein-Westfalen. Nur sei man eben dafür, in Modellregionen zum Beispiel, Einkaufen mit einem negativen Corona-Test zu verbinden. "Bummeln und Testen", hatte Merkel gesagt, sei wohl nicht die richtige Antwort auf die exponentiell ansteigenden Infektionszahlen. Für Laschet allerdings ist es genau andersherum: Nur wer "einen Anreiz" habe, lasse sich auch testen.
Eigentlich hatte Laschet nach der CDU-Präsidiumssitzung heute gar keine Pressekonferenz geben wollen. Das Interview Merkels scheint ihn dazu provoziert zu haben. So sehr, dass er sie damit begann, noch einmal in Merkels Wunde zu bohren. Die missratene Ministerpräsidentenkonferenz, die verunglückte Osterruhe mit Merkels öffentlicher Abbitte: "So", sagt Laschet, könnten diese Treffen nicht mehr stattfinden.
Nicht mehr als Videokonferenz mit 60/70 Zugeschalteten, die dann alles an die Medien durchstechen. Und: "Vorlagen müssen vorbereitet sein", so Laschet, was ein Seitenhieb auf die nicht durchdachte Osterruhe aus dem Kanzleramt war.
Saarland besteht auf Öffnungs-Strategie
Laschet steht mit seiner Kritik an der Kanzlerin allerdings nicht allein. Einige wehrten sich heute gegen den Vorwurf, sie hielten die Notbremse nicht ein. Brandenburg zum Beispiel. Mit Modellprojekten zu Öffnungen habe das nichts zu tun, hieß es aus der dortigen Staatskanzlei. Oder das Saarland.
CDU-Landeschef Tobias Hans war eigentlich bislang stets auf Merkel-Linie. Jetzt steht er in der Kritik, weil er das Land nach Ostern öffnen will. Er wolle dabei bleiben, sagte er heute. Es sei eine "sehr vorsichtige Strategie", so Hans. Und es sei das "falsche Signal", wenn der Bund glaube, er könne alles allein regeln.
CSU für mehr Bundeskompetenz
Denn das ist die weitere Drohung Merkels, die im Raum steht: Der Bund könnte über das Infektionsschutzgesetz Kompetenzen an sich ziehen. Ihr Amtseid verpflichtet sie dazu, so Merkel. Was genau, darüber denke sie noch nach. Aber: Sie werde nicht zusehen, wie die Zahl der Infektionen auf 100.000 am Tag steigt.
Aus der CSU bekam sie dafür Unterstützung. Nach Ministerpräsident Markus Söder, der noch am Sonntagabend sagte, er sei schon lange für eine Verschärfung des Gesetzes, ist es nun auch Bundesinnenminister Horst Seehofer. Der Bund müsse "einheitlich festlegen, was bei welcher Inzidenz zu geschehen hat", sagt er der "Süddeutschen Zeitung". Das könne entweder über das bestehende Infektionsschutzgesetz oder ein eigenes Bundesgesetz geschehen.
Laschet: Kenne keine Vorschläge
Das Problem nur: Was bei welcher Inzidenz zu geschehen hat, steht im Infektionsschutzgesetz schon drin. Der Bund hat, so Stefan Huster, Professor für Öffentliches Recht an der Ruhruniversität Bochum, die Länder ermächtigt, diese Notbremse selbst zu regeln. Der Bund könnte auf die Einhaltung bestehen, indem er nach Artikel 84 des Grundgesetzes die sogenannte Bundesaufsicht wahrnimmt. "Die", sagt Huster, "kommt aber praktisch nie zur Anwendung."
Die Bund könnte aber auch eigene Vorschriften im Infektionsschutzgesetz erlassen. Wenn er in Bundestag und Bundesrat eine Mehrheit dazu bekommt. Bundeseinheitliche Ausgangsbeschränkungen, die bislang allein die Länder für sich regeln, könnten solch eine Maßnahme sein.
"Wenn wir neue Vorschläge bekommen", so Laschet am Montag, wollten die Länder diese prüfen. "Stand heute kenne ich weitere Vorschläge nicht."