Viele NRW-Städte mit hohen Inzidenzen wollen Kunden den Einkauf oder Museumsbesuche ermöglichen - mit negativem Schnelltest. Kanzlerin Merkel kritisiert das Vorgehen.
In vielen Städten und Kreisen in NRW ist trotz einer Inzidenz von mehr als 100 ab heute ein aktuelles, negatives Schnelltestergebnis die Eintrittskarte in zahlreiche Läden und Kultureinrichtungen. Die große Mehrheit der Kommunen, für die das Gesundheitsministerium mit der Notbremse eine Rückkehr zu schärferen Maßnahmen angeordnet hatte, will diese Testoption im Rahmen von Modellprojekten umsetzen. In NRW überschreiten laut Robert-Koch-Institut 40 von 53 Kreisen und Städten den Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.
NRW-Kommunen von Öffnungen mit Testoption überrascht
Vorerst mit Ausnahme der Städte Köln, Hagen, Remscheid sowie dem Kreis Düren und dem Märkischen Kreis wollen alle 31 Kreise und kreisfreien Städte mit Inzidenzen, die drei Tage in Folge über dem Wert von 100 lagen, mit Schnelltests weiter Zugang zu Einrichtungen und Läden des nicht täglichen Bedarfs ermöglichen. Diese müssten ansonsten im Zuge der Shutdown-Verschärfungen an Hotspots wieder geschlossen werden. Dazu zählen auch Museen oder etwa Kosmetikstudios.
Nach den Bund-Länder-Beratungen hatte auch NRW eine konsequente Umsetzung der vereinbarten "Notbremse" angekündigt. Die in der am Freitag veröffentlichten Corona-Schutzverordnung verankerte Testoption hatte daher viele Rathäuser und Gewerbetreibende überrascht.
Laschet weist Merkel-Kritik zurück
Kanzlerin Angela Merkel kritisierte am Wochenende in einer Talkshow den Weg von Nordrhein-Westfalen. Sie hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet einen Verstoß gegen die Notbremse vorgeworfen - und dabei auch andere Länder kritisiert. "Das erfüllt mich nicht mit Freude", so die Kanzlerin. "Das Land (NRW) hat eine Umsetzung gewählt, die zu viel Ermessensspielraum mit sich bringt."
- So könnte der Bund die Länder entmachten
Die Kanzlerin hat angedeutet, der Bund könne aktiver werden, wenn Corona-Maßnahmen der Länder nicht ausreichen. Tatsächlich erlaubt das Grundgesetz, vieles bundesweit zu regeln.
Laschet weist die Kritik der Kanzlerin zurück. Die Landesregierung habe eine flächendeckende Umsetzung per Verordnung angewiesen, sagt der CDU-Chef. "Kein Landkreis kann davon abweichen", fügt er in Anspielung auf andere Länder hinzu. Laschet verteidigte, dass es trotzdem möglich sein soll, Terminvereinbarungen in Geschäften mit einem Negativtest zu treffen. Damit wolle man einen Anreiz für eine zunehmende Testung der Bevölkerung setzen.
Selbsttest zu Hause reicht nicht
Der Test dürfe dazu nicht länger als 24 Stunden zurückliegen, hieß es aus dem Ministerium. "Ein zu Hause ausgeführter Selbsttest ist nicht ausreichend." Die beteiligten Städte und Kreise verfügen nach eigenen Angaben inzwischen alle über ausreichende Testmöglichkeiten und informieren auf ihren Homepages über die Angebote: So bieten viele Apotheken und Hausärzte kostenlose Bürgertests an, es gibt größere Testzentren und mancherorts Drive-In-Möglichkeiten. Wer fremde oder gefälschte Testbescheinigungen verwende, dem drohe eine Geldstrafe von 1.000 Euro, so das Ministerium.
Weitere Städte könnten im Laufe der Woche nachziehen: Einerseits fallen ab Dienstag sechs neue Städte und Kreise unter die Notbremse und müssen überlegen, ob sie die Testoption anbieten. Andererseits wollte auch die Millionenstadt Köln erneut über die Testmöglichkeiten beraten. Dort hatte man bereits am Freitag beschlossen, die am 8. März erfolgten Öffnungen wegen der vielen Corona-Neuansteckungen vorerst zurückzunehmen. Alle Läden, die nicht zur Deckung des täglichen Bedarfs gebraucht werden, schließen dort zunächst.