Infektionen steigen, Impfungen stocken - und die Notbremse stottert. Daran wächst die Kritik. Nachbesserungen am Gesetz fordern die Grünen. Die FDP befürchtet eine Klagewelle.
"Wir sind angesichts des Infektionsgeschehens hochgradig beunruhigt", sagt Britta Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion. Derzeit steigt die Sieben-Tage-Inzidenz stetig und liegt bei über 150. Das geplante erweitere Infektionsschutzgesetz, das bundeseinheitliche Maßnahmen ab einer Inzidenz von 100 vorsieht, tritt aber vermutlich erst Ende April in Kraft.
Der Gesetzentwurf der Koalition müsse "dringend" nachgebessert werden. Er reiche nicht aus, um die dritte Welle der Corona-Pandemie zu brechen.
SPD will Ausgangssperre lockern
Doch nicht nur die Opposition wie die Grünen hoffen auf Änderungen des Gesetzentwurfes, der Mitte kommender Woche im Bundestag verabschiedet und im Bundesrat behandelt werden könnte. Auch die SPD-Fraktion, deren Finanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz das Gesetz mit Koalitionspartner Union ausgehandelt hat, ist noch nicht ganz zufrieden.
So sollte laut Carsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer, die Ausgangssperre gelockert werden. Es solle möglich sein, sich auch nach 21 Uhr "draußen zu bewegen", also etwa Sport zu treiben. Auch könnten die Regeln für den Sport von Kindern gelockert werden. Unterm Strich würde die SPD-Fraktion und die SPD-geführten Länder das so genannte Notbremsen-Gesetz aber unterstützen:
FDP rechnet mit Klagewelle
Die FDP will gegen das Gesetz stimmen, wenn es "sich nicht substanziell ändert", so Marco Buschmann von der Bundestagsfraktion. Das Hauptproblem der Liberalen: die komplette Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr:
Buschmann glaubt: Sie hätten "ganz beachtliche Erfolgsaussichten".
Widerstand kommt auch aus den Ländern. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnte davor, dass sie vermutlich kaum umzusetzen sei. "Gerade in einem Flächenland wie Thüringen können die Polizei und die Ordnungsbehörden Ausgangssperren nicht im ganzen Land überwachen und durchsetzen", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
Er wehre sich daher auch "vehement" dagegen, diese Aufgabe auf die Polizei "abzuwälzen", so Meier. "Gerade hier in Ostdeutschland ist das sehr sensibel." Ausgangssperren würden nur funktionieren, wenn sie von der Bevölkerung als richtiges Mittel angesehen und akzeptiert würden.
Bundesratspräsident kritisiert Umgehen der Länderkammer
Noch ist offen, wann der Bundesrat zu einer Sondersitzung zusammenkommt. Er muss dem Notbremsen-Gesetz zwar nicht zustimmen, kann aber formal Einspruch erheben. Das kritisiert Reiner Haseloff, CDU-Mitglied, Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt und derzeit Vorsitzender des Bundesrates:
Stattdessen versuche man jetzt "über die einzelnen Lesungen im Bundestag und die Abgeordneten Einfluss darauf zu nehmen", sagte er dem MDR.
Die Bundesregierung habe zudem in ihrem Entwurf abstrakte Ziele formuliert, kritisierte Haseloff, und nannte als Beispiel die Testpflicht an Schulen. "Es fehlt eine Formulierung, wie wir das umsetzen. Was machen wir beispielsweise mit Kindern, die die Tests verweigern?"
Entscheidend sei vielmehr, die Menschen zum Durchhalten zu motivieren, damit die Infektionszahlen sinken. "Wenn keiner mehr mitmacht, dann haben wir ein Problem. Dann können wir Gesetze machen, wie wir wollen."
Söder: Bundes-Notbremse reicht nicht aus
"Wir halten es für richtig, dass auf Bundesebene diese Notbremse fest verankert wird. Allein das wird es aber noch nicht helfen, wir müssen uns mehr überlegen", sagte der CSU-Chef Markus Söder . Notwendig sei etwa "ein moderneres und flexibleres Impfkonzept, um die Geschwindigkeit durch einen Bürokratieabbau zu erhöhen und "vor allem um zu flexibilisieren".