Ethikerin Alena Buyx sieht Erklärungsbedarf bei der geplanten Aufhebung der Notlage. Die Pläne zur Realisation eines "Freedom Day" bezeichnete sie bei "maybrit illner" als "mutig".
"maybrit illner“ mit dem Thema "Kein Schutz, keine Freiheit – Lockdown für Ungeimpfte?" vom 28. Oktober 2021, um 22:15 Uhr im ZDF.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, sieht bei der geplanten Aufhebung der nationalen Notlage in der Corona-Pandemie erheblichen Erklärungsbedarf gegenüber der Bevölkerung.
Für die Menschen im Land klinge die sowohl vom amtierenden Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch von SPD, Grünen und FDP angekündigte Maßnahme nach "Freedom Day", sagte Buyx am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "maybrit illner".
Buyx: Infektionszahlen drastisch hoch
Die Aufhebung der Notlage von nationaler Tragweite und die Regionalisierung der Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie seien angesichts der guten Impfquote demokratiepolitisch nachvollziehbar. Gleichzeitig gingen die Infektionszahlen drastisch hoch. "Kommunikativ geht das nicht zusammen", so Buyx.
Viele Menschen hätten "wirklich Angst", sagte sie und nannte als Beispiel Landkreise mit Inzidenzen bei Kindern von mehr als 1.000. Sie wünsche sich mehr Kommunikation in die Richtung, dass die nationale Notlage zwar vorbei, die Situation aber nach wie vor ernst sei, sagte die Medizinethikerin. Als "mutig" bezeichnete sie Pläne, den tatsächlichen "Freedom Day" und damit den Wegfall aller Pandemie-Maßnahmen zum 20. März ausrufen zu wollen.
Alena Buyx bei "maybrit illner"
Tschentscher würde Notlage bis Jahresende gerne behalten
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hielte ein Festhalten an der nationalen Notlage bis Jahresende nach wie vor für den sichersten Weg, gut durch Herbst und Winter zu kommen. Er befürchte mit dem jetzt gewählten Weg Rechtsunsicherheit.
Die Bundestagsabgeordneten müssten das notwendige Gesetz "sehr genau" so formulieren, "dass wir mit den Maßnahmen, die wir auf jeden Fall noch brauchen, vor Gericht auch Bestand haben", sagte Tschentscher.
Peter Tschentscher bei "maybrit illner"
Palmer: Impfen läuft mit Anreizen besser als mit Druck
Für den Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer (B'90/Die Grünen), gerät die Gesellschaft zu leicht in Erregung: "Empörungsdemokratie macht es nicht besser." Dass sich Menschen aus politischen Protest heraus nicht impfen lassen wollen, ist für Palmer nachvollziehbar: "Druck erzeugt Gegendruck."
Er selbst sei davon überzeugt, dass es mit Anreizen und Überzeugung besser laufe als mit Druck. "Die Balance zwischen Freiheits- und Gesundheitsschutz muss gewahrt bleiben", konstatierte Palmer. Deshalb sei es seiner Ansicht nach richtig, die Corona-Schutzmaßnahmen auslaufen zu lassen.
Kritik an uneinheitlichen 2G- und 3G-Regelungen
"Joshua Kimmich hat sich in der Argumentation mit den Langzeitfolgen einfach vergaloppiert", ist sich Johannes B. Kerner, Moderator, der selbst an Covid-19 erkrankt war, sicher. Problematisch sei, dass Kimmich damit dem querdenkenden Teil der Bevölkerung Vorschub geleistet habe. Kerner erzählte, dass er sich von einem befreundeten Arzt über die Impfung habe aufklären lassen.
In Bezug auf die Inzidenzen sei Deutschland ein "Flickenteppich". Der Moderator ist sich sicher, dass unheitliche 2G- und 3G-Regelungen das "Potenzial haben, die Gesellschaft zu spalten".
Schmidt-Chanasit: Drei Punkte für Corona-Winter entscheidend
Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe an der Universität Hamburg, betonte, dass es immer Menschen geben werde, die nicht bereit sind, sich impfen zu lassen. "Es haben Milliarden Menschen sich impfen lassen, das heißt, auch seltene Nebenwirkungen sind bekannt", fügte der Virologe hinzu.
Für Schmidt-Chanasit sind drei Punkte für den Winter entscheidend: "Booster-Impfungen, niedrigschwellige, qualitativ hochwertige Testangebote und der Blick auf den Pflegenotstand." Denn die begrenzten Ressourcen, die verfügbar sind, müssten gezielt eingesetzt werden, um eine Überlastung der Pflegekräfte zu verhindern, so der Virologe.
Jonas Schmidt-Chanasit bei "maybrit illner"