Die epidemische Lage nationaler Tragweite könnte bald enden. Was bedeutet das im Alltag?
Die Ministerpräsidentenkonferenz will in der Diskussion um ein Ende der epidemischen Lage die Zügel in der Hand behalten. Mit Verweis auf Zahlen, die allerdings Fragen aufwerfen.
Seit eineinhalb Jahren gilt in Deutschland eine bundesweite Corona-Notlage. Diese ermöglicht es Bundesregierung und Landesregierungen, ohne Zustimmung von Parlamenten Corona-Maßnahmen anzuordnen.
Im März 2020 stellte der Bundestag erstmals die "epidemische Lage nationaler Tragweite" fest und hat sie seitdem immer wieder verlängert. Zuletzt im August. Nun wird vorgeschlagen, die Notlage zum 25. November auslaufen zu lassen.
Wozu gibt es die "epidemische Lage nationaler Tragweite"?
Das Ursprungsargument dafür war im März 2020: Infektionsschutz ist zwar Sache der Bundesländer, aber diese Krise muss vom Bund gemanagt werden. "Um einer Destabilisierung des gesamten Gesundheitssystems vorzubeugen, wird die Bundesregierung in die Lage versetzt, schnell mit schützenden Maßnahmen einzugreifen", hieß es damals.
Die "epidemische Lage" ermächtigte das Bundesgesundheitsministerium im Infektionsschutzgesetz, ohne große Abstimmung Verordnungen zu erlassen, um die Grundversorgung mit Medikamenten, Schutzausrüstung oder Laborkapazitäten sicherzustellen.
Was hat das konkret mit Alltag zu tun - mit Masken, Abstand oder Veranstaltungen?
Im Laufe der Krise wurde das Infektionsschutzgesetz mehrfach geändert. Dabei wurden auch spezielle Corona-Maßnahmen ergänzt, die von den Ländern direkt angeordnet werden können, wenn eine "epidemische Lage nationaler Tragweite" gilt.
Dazu zählen die Maskenpflicht, Abstands- und Kontaktregeln, Veranstaltungsverbote oder -einschränkungen, geschlossene Restaurants, die Pflicht, einen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis vorzulegen, und die vielen anderen Maßnahmen, die den Alltag in den vergangenen eineinhalb Jahren geprägt haben.
Schluss mit Masken, Abstand und Zugangsbeschränkungen ohne "epidemische Lage"?
Nein, zwar würden die im Infektionsschutzgesetz aufgeführten besonderen Schutzmaßnahmen dann eigentlich wegfallen, sagt der Verwaltungsrechtler Hinnerk Wißmann, der in der Vergangenheit auch vom Bundestag zum Thema als Sachverständiger angehört wurde:
Das Infektionsschutzgesetz gibt den Ländern in Paragraf 28a Absatz 7 ausdrücklich die Möglichkeit, auch nach dem Ende einer "epidemischen Lage", Corona-Maßnahmen weiter anzuwenden, wenn ihr Parlament sich dafür ausspricht.
Welche Auswirkungen hätte ein Ende der Corona-Notlage dann überhaupt?
Die Unterschiede zwischen den Bundesländern bei den Maßnahmen dürften sich weiter verstärken. Bisher haben die Landesregierungen die bei ihnen geltende Corona-Verordnung mit den Maßnahmen einfach regelmäßig fortgeschrieben und angepasst. Wenn die Landesparlamente mitentscheiden müssen, werden die Entscheidungswege länger und die bundesweite Abstimmung wird schwieriger. Vermutlich werden die Maßnahmen eher tröpfchenweise und regional unterschiedlich Richtung Frühjahr fallen, als dass es in Deutschland einen "Freedom Day" wie in anderen Ländern gibt.
Erlaubt die Corona-Lage aus Sicht von Wissenschaftlern das Auslaufenlassen von Maßnahmen?
Dass es noch nicht die Zeit für ein Ende aller Maßnahmen in Deutschland sei, sagen Fachleute seit einiger Zeit. Im Herbst und Winter drohen etwa laut Robert Koch-Institut (RKI) wieder mehr Corona-Infektionen. Die Impfquote gilt als noch nicht hoch genug - daran änderten Erkenntnisse über offenbar unvollständige Statistiken bei der Impf-Erfassung von Erwachsenen nichts.
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sagte dagegen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Ich kann den Schritt nachvollziehen und halte das auch für unproblematisch."
Ab wann wäre nach Ansicht von Experten ein Ende von Corona-Maßnahmen denkbar?
Das RKI plädiert für Maske, Abstand, Hygiene und weitere Basismaßnahmen bis Frühjahr 2022. In einem Strategiepapier schreibt das Institut, Deutschland sei noch in der Übergangsphase, bis Corona endemisch werde. Das bedeutet, das Virus verschwindet zwar nicht, verursacht aber bei den meisten Menschen keine allzu schwerwiegenden Verläufe mehr, da sie durch Infektionen oder Impfung eine Grundimmunität haben.
Wann der Übergang abgeschlossen sein wird, lässt sich laut RKI jedoch nicht mit Bestimmtheit voraussagen.
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