Rolf Schmidt, Oberbürgermeister von Annaberg-Buchholz im Erzgebirge, soll die neuen Corona-Beschlüsse umsetzen. Doch das ist ein Problem. Viele, sagt er, verstehen sie nicht mehr.
ZDFheute: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie von den Beschlüssen zum neuen Oster-Shutdown gehört haben?
Rolf Schmidt: Eine ganze Menge! Die Situation wird sich verschärfen. Wir werden große Mühe haben, das zu übersetzen und Verständnis bei den Menschen zu wecken.
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ZDFheute: Können Sie verstehen, dass man noch einmal alles runterfährt?
Schmidt: Zum Teil ja, weil natürlich die Befürchtung da ist, dass die Krankenhäuser wieder überlastet werden. Aber ich halte es für fragwürdig, alles an einer Zahl festzumachen.
ZDFheute: Sie hatten mit allen ihren Kollegen aus dem Erzgebirge dafür plädiert, nicht alles an der Inzidenzzahl 100 festzumachen. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Enttäuscht Sie das?
Schmidt: Momentan werden Entscheidungen von wenigen getroffen, die ganz viele Menschen betreffen. Man hat das Gefühl, dass diese getrieben sind: von Zahlen, von Statistiken, die nicht in aller Gänze betrachtet werden. Es wird schwer werden, den Menschen zu vermitteln, warum diese Entscheidungen jetzt getroffen worden sind. Ich glaube, da braut sich etwas zusammen.
ZDFheute: Was braut sich da zusammen?
Schmidt: Zum einen wird man Beschlüsse einfach nicht befolgen. Zum anderen wird man seiner Enttäuschung, seinem Frust Ausdruck verleihen, indem man auf die Straße geht, Briefe schreibt oder Dinge tut, die man sonst im Alltag nicht tut.
ZDFheute: Wie gehen Sie als Bürgermeister damit um? Bei aller Kritik müssten Sie ja vielleicht das Ordnungsamt zur Kontrolle am Osterfest rumschicken?
Schmidt: Also, wir machen ja nicht alles mit. Ich habe viel Verständnis für Menschen, die nicht nachvollziehen können, wenn solche Beschlüsse gefasst werden. Ich werde als Bürgermeister natürlich versuchen, das zu übersetzen und dafür zu werben, dass bestimmte Maßnahmen notwendig sind. Aber was ich nicht nachvollziehen kann, werde ich auch nicht mittragen.
ZDFheute: Zum Beispiel?
Schmidt: Ich habe noch nicht die ganzen Beschlüsse durchgearbeitet. Einiges ist schwer zu verstehen und muss man erst einmal juristisch prüfen und dann überlegen, wie man es umsetzt. Erst wenn das erfolgt ist, werde ich mit meinem Stadtrat entscheiden, wie wir darauf reagieren. Also wenn am Samstag der Lebensmitteleinzelhandel öffnen darf, was ist darunter zu verstehen? Muss ich dann Discounter, andere Dienstleistungen wieder schließen? Was passiert damit nach Ostern?
ZDFheute: Wie finden Sie die Beschlüsse zum Thema Schulen und Kitas?
Schmidt: Ich habe da eine ganz klare Meinung: Es muss die oberste Priorität sein, dass die offen bleiben. Mir ist es einfach zu wenig, nur nach der Inzidenzzahl zu entscheiden, dass die Kinderbetreuung entfällt. Und zu wenig nachvollziehbar.
Kindereinrichtungen dürfen nicht von einer Zahl abhängig sein, die im Landkreis gilt, aber nicht in dem kleinen Ort, wo vielleicht null oder zwei Infektionen sind. Oder in einer Schule sind 600 Kinder negativ getestet und trotzdem wird sie geschlossen! Das muss man erst einmal den Eltern und Kindern vermitteln, dass das logisch ist. Für mich ist das nicht logisch.
ZDFheute: Das Erzgebirge lebt vom Tourismus. Jetzt muss Ostern alles zu bleiben.
Schmidt: Die Existenz vieler Gastronomen und Hoteliers ist in Frage gestellt. Ich befürchte, dass einige aufgeben müssen. Ihre finanziellen Mittel sind am Ende. Es gibt ja auch keine Perspektive. Das Licht am Horizont ist mit den aktuellen Maßnahmen verschwunden. Das wird hier große Löcher reißen. Die Beschlüsse richten Schaden an. Ich kann nur hoffen, dass die Menschen Geduld haben und noch ein bisschen etwas ertragen. Aber ich habe die Befürchtung, dass da Grenzen gesetzt sind.
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ZDFheute: Was befürchten Sie?
Schmidt: Wir haben montags Demonstrationen auf unserem Marktplatz. Sonst waren 30, 40 Leute da, gestern waren es 500. Wenn ehemalige Mitglieder rechter Organisationen dazu aufrufen, dass sie die eigentlichen Verfechter der Demokratie sind und die Masse johlt, dann habe ich die Befürchtung, dass wir in Schwierigkeiten kommen. Auch mit Blick auf den Herbst.
Das Interview führte Kristina Hofmann.