Die vierte Welle - wie überall sind es auch in der Ro-Med Klinik in Rosenheim überwiegend Ungeimpfte, die auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen.
"Man wird langsam müde und traurig" sagt Karl Ziegler, Oberarzt auf der Intensivstation der RoMed Klinik. Denn man hätte die Chance gehabt, durch genügend Impfungen die vierte Welle zu vermeiden. Doch das sei nicht geschehen. Stattdessen ist die Covid-Intensivstation im bayerischen Rosenheim voll belegt, mit sechs Patienten zwischen 38 und 60 Jahren. Alle sind ungeimpft.
Die Verzweiflung, aber auch die Erschöpfung ist dem 36-jährigen Mediziner anzusehen. Auch heute werden er und sein Team fast ohne Pause durcharbeiten. Wie seit Monaten. Waren es in den ersten Wellen der Pandemie hauptsächlich ältere Menschen, sind es jetzt Patient*innen mittleren Alters, ohne relevante Vorerkrankungen, die sie versorgen.
Vertrauen in den Impfstoff fehlt
Ein Mann, Mitte 40, vorher kerngesund, kämpft um sein Leben. Alle paar Stunden muss er umgelagert werden, Schwerstarbeit. Doch es sei nicht die körperliche Arbeit, die auf Dauer mürbe mache, so die 22-jährige Pflegekraft Franziska. Schlimm seien Patient*innen, "die behaupten, dass es Corona nicht gäbe, obwohl sie und viele andere hier liegen. Das kostet dann schon Überwindung." [Welche Impfstoffe der einzelnen Hersteller verimpft wurden.]
Auf Station: eine Covid-Patientin, auch sie ungeimpft. Eine Woche lang war sie in einem äußerst kritischen Zustand. Durch intensives Bemühen gelang es Ärzt*innen und Pflegekräften, sie vor dem künstlichen Koma zu bewahren. Jetzt ist sie über den Berg.
Auf die Frage des ZDF, warum sie sich nicht habe impfen lassen, lautet ihre Antwort: "Weil ich dem Impfstoff noch nicht vertraue. Obwohl ich hier jetzt schon seit über einer Woche liege, hat sich an meiner Meinung nichts geändert, ich würde mich nach wie vor nicht impfen lassen." Auch ihre Familie, ihr Mann und ihr 86-jähriger Vater seien nicht geimpft. [Alle Zahlen und Grafiken zum Coronavirus.]
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Niedrige Impfquote in Rosenheim
Jens Deerberg-Wittram ist Geschäftsführer der RoMed Kliniken. Das Verhalten der Corona-Leugner und Impfverweigerer ärgere ihn zunehmend, so der Mediziner. Viele Mitarbeiter*innen würden sich zu Recht fragen" warum soll ich mich, meine Familie, meine Angehörigen eigentlich jeden Tag in Gefahr bringen, wegen Menschen, die sich schlicht und einfach nicht an die Regeln halten."
Seit Beginn der Pandemie haben die RoMed Kliniken rund 2.000 Covid-Patienten behandelt. Die Nachfrage nach Intensivplätzen für Covid-Patienten ist immer noch groß. Zum einen liegt es an den hohen Inzidenzzahlen in Rosenheim, im Landkreis bei aktuell über 200. Zum anderen an der niedrigen Impfquote, gerade mal 55 Prozent der Rosenheimer sind zum zweiten Mal geimpft. Ein Ende der Pandemie sei deshalb nicht in Sicht, so Deerberg-Wittram.
Deerberg plädiert für Impfpflicht
Gerade mussten sie einen Covid-Patienten in die ohnehin voll belegte Intensivabteilung aufnehmen. Per Hubschrauber war der Reiserückkehrer aus Kroatien eingeflogen worden, alle Kliniken rundum hatten abgewunken, kein Platz.
Das bayerischen Krankenhaus-Ampelsystem als Indikator für die Auslastung der Kliniken sieht er kritisch: "Was nützt es mir, wenn meine Intensivstation so zusagen aus allen Nähten platzt und mir jemand sagt, in Aschaffenburg gibt es keine Patienten?"
Auch der Reiserückkehrer war nicht geimpft, wie die meisten. Zuletzt waren von 41 Covid-Intensivpatienten, die in den letzten Wochen versorgt wurden, 39 ungeimpft. "Ich glaube", so Deerberg, "wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir eine Impfpflicht brauchen, weil zu viel auf dem Spiel steht und weil die Situation für meine Kolleginnen und Kollegen unerträglich ist."
Appell an die Ungeimpfte
Unerträglich ist es für sie auch, weil es schon Angriffe gab, verbale, wie auch körperliche. Mal durch Angehörige, aber auch durch Patienten, so Oberarzt Karl Ziegler. Und das sei extrem nervend, "dann auch noch seine Zeit mit so einem Unsinn zu verbringen, wenn man ohnehin schon genug zu tun hat." Sie alle appellieren an die Menschen, sich impfen zu lassen, denn "Welle fünf, sechs, sieben, acht, neun, halten wir nicht aus." [Wie viele wurden bisher gegen Corona geimpft?]
Sibylle Bassler ist Korrespondentin im ZDF-Studio München.
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