Das teuer eingekaufte Corona-Medikament Paxlovid verstaubt im Regal. Minister Lauterbach will das ändern. Doch der Einsatz ist kompliziert. So sollen Ärzte Unsicherheit verlieren.
In das Corona-Medikament Paxlovid wurden große Hoffnungen gesetzt. Es gehört zu den wenigen Präparaten, die gezielt gegen Covid-19 entwickelt wurden und erfolgreich eine Zulassung in der EU erhalten haben. Doch zum Einsatz kommt es bislang kaum.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das ändern und hat eine Initiative angekündigt:
Kann dieses Vorhaben des Gesundheitsministeriums (BMG) verhindern, dass Paxlovid eine teure Fehlinvestition wird? Und warum ist der Einsatz bislang so kompliziert?
Erst zwei Prozent der Bestellung kam zum Einsatz
Seit Januar 2022 hat der Bund zentral eine Million Therapieeinheiten des Medikaments beschafft. Rund 500 Euro verlangt der Hersteller Pfizer pro Einheit, für den Kauf flossen also Hunderte Millionen Euro Steuergeld.
370.000 Einheiten seien bislang an den pharmazeutischen Großhandel ausgeliefert worden, teilt das Gesundheitsministerium ZDFheute mit. "Vom pharmazeutischen Großhandel wurden bislang ca. 21.000 Therapieeinheiten Paxlovid an Apotheken ausgeliefert", so das BMG mit Stand 19. Juni. Das heißt, dass bislang erst maximal 2,1 Prozent der gesamten Bestellung zum Einsatz kamen.
Warum wird Paxlovid nicht häufiger genutzt?
Das liegt vor allem am Medikament selbst. Für den Einsatz von Paxlovid gibt es ein enges Zeitfenster. Es soll schwere und tödliche Krankheitsverläufe verhindern, muss also ganz zu Anfang der Infektion gegeben werden. Deutlich, bevor Betroffene ins Krankenhaus kommen.
Es sind also vor allem Hausärzte, die kurzfristig über einen Einsatz bei Risikopatienten entscheiden müssen.
Auch der Deutsche Hausärzteverband betont gegenüber ZDFheute: "Paxlovid ist auch wegen möglicher Wechselwirkungen mit anderen eingenommenen Medikamenten nicht für jedermann geeignet. Diese Wirkstoffe müssten im Zweifel abgesetzt werden können, ohne die Patientinnen und Patienten dadurch zu gefährden."
Die Medikamentierung oft alter und hochkranker Menschen innerhalb kurzer Zeit grundlegend umzustellen, ist eine Herausforderung. Für bestimmte Risikogruppen könne Paxlovid laut Hausärzteverband aber ein sehr wirkungsvolles Medikament sein.
Was will das Ministerium künftig anders machen?
Jetzt soll der Corona-ExpertInnenrat der Bundesregierung aktiv werden. Das 19-köpfige Gremium soll "ein Behandlungskonzept zur Optimierung der Behandlung mit Covid-19-Therapeutika entwickeln", teilt das BMG mit.
Einer von ihnen ist der Intensivmediziner und Lungenfacharzt Christian Karagiannidis, als Teil der Fachgruppe COVRIIN berät er auch das Robert-Koch-Institut. Mit anderen Fachverbänden zusammen hat er eine interaktive Webseite erstellt, auf der sich Ärzte schnell Orientierung verschaffen können, welche Covid-Medikamente bei welchen Krankheitsverläufen und Risikofaktoren helfen.
Er hofft, so Vorbehalte gegen den Paxlovid-Einsatz in der Ärzteschaft abzubauen. "Ich glaube, es ist Unsicherheit. Wenn Medikamente viele potenzielle Nebenwirkungen haben, ist es durchaus schwierig für die Kollegen, die ja oft pro Patienten nicht viel Zeit haben", sagt Karagiannidis ZDFheute.
Paxlovid-Bestellungen jetzt unbegrenzt möglich
Neben weiteren Informationsangeboten will das BMG auch die Verteilung und Verfügbarkeit des Medikaments verbessern. Bislang durften Arztpraxen und Klinikapotheken nur zwei, bzw. fünf Einheiten Paxlovid vorrätig haben. Seit dem 29. Juni gilt eine neue Allgemeinverfügung, mit der unbegrenzt bestellt werden darf.
"Zudem sollen zukünftig in stationären Pflegeeinrichtungen verantwortliche Personen zur Veranlassung und Koordinierung einer frühzeitigen Therapie nach einem positiven Testergebnis benannt werden", schreibt das BMG.
Hierzu merkt der Hausärzteverband jedoch kritisch an, dass "die Verantwortung für die Verschreibung ausschließlich bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten liegen darf". Auch der Pflegeberufe-Verband DBfK betont gegenüber ZDFheute, Pflegefachpersonen dürften keine medikamentösen Therapien verordnen.
Die Lage auf den Intensivstationen bleibt angespannt. Es gibt viele Personalausfälle. Mit zunehmender Sorge blickt man auch im saarländischen Homburg auf den Herbst.
Können diese Pläne funktionieren?
Ob Paxlovid nun doch eine erfolgreiche Zukunft als lebensrettendes Covid-Medikament bekommt, muss sich erst zeigen. Die bei der Anwendung besonders gefragten Hausärzte sind im ExpertInnenrat indes gar nicht direkt vertreten.
Man sei mit Blick auf Paxlovid aber im Gespräch mit dem BMG, heißt es aus dem Verband. "Die Erarbeitung der Kriterien muss in enger Abstimmung mit den Hausärztinnen und Hausärzten geschehen." Es brauche "praxistaugliche Handreichungen".
Paxlovid hat eine Haltbarkeit von einem Jahr. Kann der Einsatz nicht gesteigert werden, könnten ab Januar 2023 erste Tabletten ungenutzt in den Müll wandern.
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