PCR-Tests soll es künftig nicht mehr für alle geben. Doch die Priorisierung könnte für Probleme sorgen: Ohne PCR-Test gibt's keinen Genesenennachweis.
Die Omikron-Variante des Coronavirus sorgt nicht nur für täglich neue Rekordzahlen an Neuinfektionen - auch Deutschlands Labore stoßen an ihre Belastungsgrenzen. Bei der Bund-Länder-Videoschaltkonferenz wurde daher beschlossen:
PCR-Tests sollen nicht länger jeden positiven Schnelltest bestätigen - nur noch bestimmte Berufsgruppen und Hochrisikopatienten sollen PCR-Tests bekommen. Diese Priorisierung soll die Lage in den Laboren entspannen.
Geboosterte seien in der Regel "sehr wenig infektiös, für andere keine Gefahr“, so Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident NRW, zu den Erwartungen an die Bund-Länder-Runde.
Medizinisches Personal wird priorisiert
Bei Engpässen soll vor allem medizinisches Personal insbesondere in Krankenhäusern, Arztpraxen und in der Pflege mit PCR getestet werden. Viele andere werden darauf verzichten müssen.
Stattdessen könnte bei einem positivem Schnelltest oder roter Corona-Warn-App mit einem zweiten überwachten Antigentest nachgetestet werden. Das bringt gleich mehrere Probleme mit sich.
Kein Genesenen-Status ohne PCR
Wer seinen Genesenenstatus belegen möchte, braucht derzeit einen PCR-bestätigten Nachweis, dass man die Infektion durchgemacht hat. Ein bloßer Antigentest reicht da nicht. Konsequenz: Steckt man sich nun mit Corona an, fehlt später womöglich der Nachweis für den Genesenenstatus.
Der Gesundheitsökonom des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, Boris Augurzky, bringt es auf den Punkt:
Augurzky bezeichnet es im Gespräch mit ZDFheute als schwerwiegende Einschränkung, wenn mangels PCR-Test der Genesenenstatus nicht nachgewiesen werden kann und die betroffene Person - wenn sie nicht geimpft ist - "von großen Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen wird".
Franziska Giffey bei "maybrit illner"
Giffey für neue Testverordnung
Daher sprach sich die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), bereits vergangene Woche in der Talkshow Maybrit Illner dafür aus, dass die Antigen-Schnelltests als Genesenennachweise akzeptiert werden. "Dafür braucht es eine neue Testverordnung", so Giffey.
Die Vorgabe für den Genesenennnachweis stammt vom Robert-Koch-Institut (RKI). Auf die die Anfrage von ZDFheute, ob aufgrund der Priorisierung Änderungen zu dieser Vorgabe geplant sind, wollte sich das RKI nicht äußern. Eine Sprecherin verwies auf der Website des Instituts, auf der es heißt, dass die Vorgaben "regelmäßig überprüft" würden und "sich gemäß Stand der Wissenschaft ändern" könnten.
Nachweis von Ansprüchen wird komplizierter
Doch der nicht nachweisbare Genesenenstatus ist nicht das einzige Problem, das mit der Priorisierung der PCR-Tests auftritt: Auch wer nach der Corona-Infektion Ansprüche gegen Kostenträger, also zum Beispiel die Berufsgenossenschaft, geltend machen will, braucht bisher einen positiven PCR-Testnachweis.
"Die akzeptieren gar keinen Nachweis durch einen Antigen-Schnelltest. Auch in vielen Post-Covid-Ambulanzen ist ein PCR-Test die Voraussetzung, dass man überhaupt aufgenommen wird", erklärt Claudia Ellert, leitende Oberärztin der Lahn-Dill-Kliniken in Wetzlar. Sie leidet selbst seit über einem Jahr an Long Covid.
Zudem sei der Nachweis, dass man infiziert ist, mit einem Schnelltest deutlich schwieriger:
Der Schnelltest brauche dazu noch mehr Viruslast - im Gegensatz zum PCR-Test, der auch schon mit weniger Viruslast anschlage, so Ellert. Das alles verkompliziert den Nachweis für Patienten, die keinen PCR-Test mehr bekommen.
VdK: Antigentests mit PCR-Tests gleichstellen
Auch der Sozialverband VdK zeigte sich gegenüber ZDFheute besorgt, dass die Priorisierung Menschen ungerecht benachteiligt: Es müsse sichergestellt sein, dass der von einer zertifizierten Stelle durchgeführte Antigen-Schnelltest "auch tatsächlich wie ein positiver PCR-Test behandelt wird".
Die Gesundheitsämter müssten dann von der Teststelle entsprechend informiert "und die Nachweise über eine Infektion und später den Genesenenstatus unkompliziert ausgestellt werden", so der VdK.
- Wo die Ansteckungsgefahr besonders hoch ist
Corona-Infektionen können im Alltag an verschiedenen Orten passieren. Wo das Ansteckungsrisiko besonders hoch ist, zeigt diese interaktive Story.