24,5 Prozent der Corona-Infizierten sind älter als 60 Jahre. Allein heute vermeldet das RKI 432 Todesfälle. Die Sorge um die Älteren in den Pflegeeinrichtungen wächst.
Christian Grimm ist für mehr als 200 Menschen verantwortlich. 100 Menschen leben in seiner Seniorenwohnanlage in Idar-Oberstein, Rheinland-Pfalz. Im betreuten Wohnen, im Pflegeheim, in der Tagespflege zum Beispiel. Mehr als 100 Mitarbeiter kümmern sich um die zum Teil Hochbetagten. "Wir sitzen auf einem Pulverfass", sagt Grimm.
Ohne Schnelltests "eine schreckliche Situation"
Vier Bewohner hat es seit dem Frühjahr erwischt, auch zwei Mitarbeiter. Ein Bewohner ist mit Covid-19 gestorben. Am Anfang, sagt Grimm, war das eine "schreckliche und Nerven aufreibende Situation". Auf einer Quarantäne-Station wurden die Infizierten isoliert, sie hatten nur Schutzkittel, Masken, Hygienekonzept. "Mehr konnten wir nicht tun." Nur weil er sich über verschiedene Kontakte auf eigene Kosten Schnelltests besorgen konnte, bekam er die Situation zügig in den Griff. Ende Oktober war das:
Mittlerweile hat sich die Lage etwas entspannt. Rheinland-Pfalz hat die Einrichtungen mit Schnelltests versorgt. "Ich hoffe, wir sind jetzt vor der Infektionskette und können schnell handeln", sagt Grimm. Schlimmeres konnte er bislang verhindern. Woanders ist das nicht gelungen.
Ministerium gibt Empfehlung für Weihnachten heraus
Im Schnitt steckt jeder Corona-Infizierte in einer Pflegeeinrichtung 18 weitere Bewohnerinnen oder Bewohner an. Jeder fünfte infizierte Pflegebedürftige überlebt die Krankheit nicht. Zahlen, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heute präsentierte.
Sein Ministerium hat jetzt eine Handreichung für Besuchskonzepte veröffentlicht, was den Einrichtungen auch über die schwierige Zeit am Jahresende helfen soll. Wie kann man Besuche ermöglichen, wie kann man Schnelltests sinnvoll einsetzen? "Für all diese Fragen braucht es Begleitung. Die Angst vor der Isolation darf die Diskussion nicht länger bestimmen", sagt Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung.
Klar sei, dass nicht alle Besuche Heiligabend, 17 Uhr, möglich seien. "Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen geben ihre Autonomie nicht am Eingang ab, man muss mit einbeziehen, was sie wollen", sagt Westerfellhaus. Aber unabhängig von Weihnachten: Eine völlige Isolation wie noch im Frühjahr "darf nicht noch einmal passieren".
- Wie Weihnachtsbesuche funktionieren können
Kontakte vor Weihnachten beschränken, Abstand halten, Maske auf - so könnten Besuche auch in Pflegeeinrichtungen erlaubt sein. Gesundheitsminister Spahn stellte ein Konzept vor.
Stiftung Patienschutz fordert "Ruck in der Gesellschaft"
Knapp drei Wochen sind es noch bis Weihnachten. Manchen Pflegeeinrichtungen fehlen noch ausreichend Schnelltests, um mehr Sicherheit zu bekommen. "Die Versorgung wird immer besser", so Minister Spahn. Oft fehlen aber geschulte Helfer, die die Tests durchführen können. Damit das ohnehin knappe Pflegepersonal das nicht auch noch machen muss. Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz fordert deswegen einen Einsatz der Bundeswehr, von Sanitätsdiensten oder Ehrenamtlichen. "Warum haben wir keinen Ruck in der Gesellschaft?", fragt er.
Pflegebevollmächtigter Westerfellhaus unterstützt den Einsatz von Freiwilligendienste. Verordnen will er sie aber nicht:
Trotzdem sollten die Heime nicht allein gelassen werden: "In dieser Ausnahmesituation bedarf es der Anstrengung der ganzen Gesellschaft. Da kann man nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Da braucht es die Gemeinsamkeit, die vor Ort entwickelt werden muss", sagt Westerfellhaus. Viele Einrichtungen hätten gute, kreative Konzepte. Einen absoluten Schutz könne es ohnehin nicht geben. "Selbst wenn wir alles richtig gemacht haben."
Alle Hoffnung liegen auf dem Impfstoff
Heimleiter Grimm in Idar-Oberstein ist sich sicher, dass sie Weihnachten gut organisiert bekommen. "Wir erleben ganz viel Verständnis von den Angehörigen, auch von den Bewohnern, die alles mit viel Gelassenheit tragen." Er weiß, dass er seinen Mitarbeitern derzeit viel zumutet. Die Arbeitsbedingungen sind härter geworden, die psychische Belastung größer. Grimm sagt:
Ohne Sonderschichten und Überstunden ginge es zurzeit sowieso nicht.
Alle Hoffnungen liegen jetzt auf dem Beginn der Impfungen und einer Entspannung der Lage im Februar/März. Und dass danach ein bisschen Ruhe einkehrt. "Noch sechs Monate oder ein Jahr halten wir kaum durch", sagt Grimm. Schaffen sie es bis dahin? "Was sollen wir machen?", fragt Grimm. Auch finanziell? "Wir müssen."