Angesichts hoher Infektionszahlen kritisieren Weltärzte-Chef Montgomery und die Vorsitzende des Marburger Bunds politische Versäumnisse im Kampf gegen die vierte Corona-Welle.
Angesichts der außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie haben Ärztefunktionäre verantwortlichen Politikern schwere Vorwürfe gemacht und eine Mitschuld gegeben. Sie hätten "in Worten und Handeln an vielen Stellen versagt", sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, der Düsseldorfer "Rheinischen Post".
Montgomery weiter: "Zur Kakophonie der Ministerpräsidenten gesellte sich das parteipolitische Freiheitsgesäusel, das einen völlig falschen Freiheitsbegriff versprach." Und weiter:
Montgomery: Mehr Druck auf Ungeimpfte
Montgomery forderte zudem, den Druck auf Ungeimpfte deutlich zu erhöhen. "Eine Impfpflicht überall dort, wo Menschen eine Garantenstellung gegenüber Schutzbefohlenen haben, also im Altenheim, im Krankenhaus oder in der Schule. Wer das nicht will, kann dort nicht arbeiten."
Er plädiert für eine Informationspflicht des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber bezüglich des Impfstatus. "Wie sollen Arbeitgeber Schichtpläne, Bürobesetzung und Schalterdienste regeln, wenn sie nicht einmal wissen dürfen, wer geimpft oder genesen und wer völlig ungeschützt in ihren Diensten steht?"
Weltärzte-Chef: Epidemische Lage verlängern
Angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen fordert Montgomery zudem eine Verlängerung der epidemischen Lage. "Wir haben weiterhin eine Pandemie nationalen Ausmaßes". Und weiter:
Montgomery fügte hinzu: "Wer apodiktisch sagt: Keine Impfpflicht und nie wieder Lockdown, der hat die Epidemiologie des Virus nicht verstanden und spielt ihm in die Hände."
Marburger Bund: "Warnungen wurden als Panikmache abgetan"
Auch Marburger-Bund-Chefin Susanne Johna kritisierte gegenüber der "Rheinischen Post" die Corona-Politik: "Wir hätten viel besser vorbereitet sein können. Es hat ja an Warnungen aus der Wissenschaft nicht gefehlt."
Bereits Mitte Juli habe eine Wissenschaftlergruppe der Technischen Universität Berlin ein exponentielles Wachstum der Infektionen im Herbst vorhergesagt, dies sei aber weitgehend ignoriert worden:
Johna weiter: "Warnungen wurden als Panikmache abgetan. Dringliche Hinweise wurden inmitten des Wahlkampfs überhört, weil sie offensichtlich politisch unerwünscht waren."
Johna: Keine Instrumente ausschließen
Stattdessen gab es Diskussionen darüber, ob nicht bald ein "Freedom Day" ausgerufen werden könne", kritisierte Johna. Auf Freiheitsrechte gepocht hatte besonders die FDP, es waren aber auch einige Unions- und selbst Grünen-Politiker - sowie etwa Kassenärzte-Chef Andreas Gassen.
Mit Blick auf die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz sagte Johna: "Das Treffen am Donnerstag kommt spät, aber immerhin gibt es jetzt die Chance, einheitliche Maßnahmen zu ergreifen, die dem aktuellen Geschehen gerecht werden." Es sei "falsch, möglicherweise notwendige Instrumente von vornherein auszuschließen".
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