Gegner der Corona-Politik richten ihren Hass immer mehr gegen die Polizei. Befeuert von Reichsbürgern werden im Netz Fotos von Beamten geteilt und diese als "Söldner" diffamiert.
Auf Telegram kursiert ein Video von einer Verkehrskontrolle, die wegen einer Verschwörungstheorie eskaliert ist. Die Fahrerin eines Autos will sich nicht ausweisen und soll deshalb aussteigen. Doch das will die 70-jährige Karin nicht. Unterstützt von ihren Begleitern sagt sie: "Nein, ich steige nicht aus. Ihr seid von der Firma Constellis."
Eine Polizistin warnt sie: "Entweder Sie steigen jetzt freiwillig aus oder wir werden Sie mit einfacher körperlicher Gewalt aus dem Auto rausziehen." Sie habe den Verdacht, dass die Fahrerin Alkohol getrunken habe. Ihr Mitfahrer ereifert sich: "Wir sehen uns vor einem internationalen Gericht wieder!"
Die Constellis-Verschwörungstheorie, die hinter dem Streit steckt, stammt aus dem Reichsbürger-Milieu. Die Behauptung: Die "Firma Polizei" sei verkauft worden. Constellis gibt es zwar, es ist einer der größten privaten US-Militär-Dienstleister. Dass die Polizei nun ihr gehöre, ist ein Reichsbürger-Märchen.
- Telegram-Gruppe kooperierte mit US-Neonazis
In der Telegram-Gruppe "Dresden Offlinevernetzung" wurden Anleitungen für Terroranschläge, Überfälle und zur Sprengstoffbeschaffung geteilt. Involviert ist ein US-Neonazi-Netzwerk.
Fahndungsfotos und Morddrohungen
Im Netz und auf der Straße werden Polizisten vermehrt als "Söldner" diffamiert - also als private Kämpfer, die nur eine Zeit lang angeheuert werden. Reichsbürger glauben, dass Deutschland kein souveräner Staat und noch besetzt sei. Deutschland sei eine Firma, ebenso die Feuerwehr oder die Polizei.
Dem Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt ist die Constellis-Erzählung bekannt, wie man ZDFheute mitteilt. Im für Verschwörungsinhalte bekannten Messenger Telegram gibt es einen eigenen Constellis-Kanal. Dort werden Fahndungen nach Polizisten verbreitet. "Gesucht wird dieser Polizist", dazu ein Foto von einem Uniformierten beim Einsatz auf einer Corona-Demo in Magdeburg. Auch Fotos von den Kennzeichnungsnummern der Polizisten werden geteilt - verbunden mit dem Aufruf, gegen sie Strafanzeige zu stellen.
In Kommentaren kommt es auch zu Morddrohungen. "Somit wird es Zeit, dass das Volk diese Bande exekutiert", schreibt ein Nutzer. Ein anderer: "Wir hängen diese Brut an die Laternen." Darunter ein Foto von einem Strick. In dem Video der Verkehrskontrolle ist der Name des einen Polizisten zu sehen. Bei seinem Kollegen erkennt man das Wappen des Bundeslandes.
- "Zulauf von Rechtsextremisten bereitet Sorge"
Innenministerin Faeser sieht einen Zulauf von Rechtsextremisten bei den Corona-Demos. "Das bereitet uns schon Sorge", sagte sie im ZDF. Sie sicherte Hilfe der Bundespolizei zu.
"Freie Sachsen" hetzen seit Wochen gegen Polizei
Angesichts der vielen kleinen Corona-Demos wächst der Druck auf die Polizei. Die rechtsextreme Kleinstpartei "Freie Sachsen" spricht schon seit Wochen von "Kretschmers Söldnern". Mit mehr als 135.000 Abonnenten teilen sie Videos, in denen Bürger Polizeiketten durchbrechen. Es ist die populistische Erzählung von "Wir" gegen "die da oben" - personifiziert durch die Polizei.
Das sächsische Innenministerium schreibt dazu:
Auch der Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sagte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung":
- Was gilt rechtlich für Corona-"Spaziergänge"?
Gegner der Corona-Maßnahmen gehen immer öfter zu sogenannten "Spaziergängen" auf die Straße. Sind diese durch die Versammlungsfreiheit geschützt?
Taucherbrillen gegen Pfefferspray
Wie ergeht es Polizisten auf der Straße? Ein rheinland-pfälzischer Polizist berichtet ZDFheute über seinen Einsatz in Trier am Wochenende: "Da sind auch Reichsbürger mitgelaufen. Sie haben andere in Gespräche über die angeblich noch bestehende Besatzung Deutschlands verwickelt."
Bei anderen Demos seien die Teilnehmer sehr aggressiv gewesen.
Ein bayerischer Polizist berichtet: "Die Demonstranten sind Bundesländer übergreifend vernetzt und teilen über Telegram Taktiken, wie man Polizeiketten umgeht oder durchbricht."
Der Polizei-Soziologe Rafael Behr beobachtet eine Veränderung bei den Maßnahmen-Kritikern: "Zu Beginn hat man die Polizisten noch bemitleidet und ihnen zugerufen, sie sollten auf die 'richtige Seite' wechseln. Das schlägt nun immer mehr in offene Aggression um."
- "Querdenker" auch gegen Schulen aktiv
Gegner der Corona-Maßnahmen, darunter auch Reichsbürger, haben nach Angaben der Bundesregierung mit Aktionen vor Schulen und Drohschreiben gegen geltende Maßnahmen mobil gemacht.
Verletztes Kind bei Corona-Protest wird instrumentalisiert
Immer wieder werden auch Videos verbreitet, in denen es so aussieht, als würden Polizisten überzogen reagieren. Etwa, indem sie - wie es scheint - Familien mit Kinderwägen einkesseln. Die Ausschnitte von Videos im Nachhinein zu bewerten, ist schwierig. Dass ein Kind bei einer Demo mit Pfefferspray leicht verletzt wurde, schlug hohe Wellen.
Die 70-jährige Karin wurde bei der Verkehrskontrolle dann aus dem Auto gezogen. Ob sie einen Personalausweis dabei hatte oder ob sie - wie ihr Begleiter - in Reichsbürger-Manier gar keinen besitzt, ist auf dem Video nicht zu sehen.