Die meisten Corona-Maßnahmen sind aufgehoben. Vielen Köpfen der Querdenken-Bewegung gehen jetzt Geld und Anhänger aus. Es häufen sich die Gerichtstermine. Wie geht es jetzt weiter?
Zu ihren Hochzeiten konnte die Querdenken-Bewegung jede Woche Zehntausende Anhänger gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen mobilisieren. Je mehr Corona im öffentlichen Bewusstsein in den Hintergrund gerät, desto weniger Menschen schenken Querdenken-Vertretern Aufmerksamkeit.
Auf seinem Telegram-Kanal klagt der Arzt Bodo Schiffmann unter einem Foto Tausender Menschen, die den Eintracht-Sieg im Europapokal vor dem Frankfurter Römer feiern: "Brot und Spiele in vollendeter Form. Keiner geht auf die Straße, wenn das Verfassungsgericht Menschen zwingt, sich eine experimentelle Injektion geben zu lassen."
Urteile gegen Querdenken-Köpfe häufen sich
Nicht nur schrumpften zuletzt die Demonstrationen und Klickzahlen im Netz, auch spüren viele der Querdenken-Köpfe erst jetzt die juristischen Folgen ihres Aktivismus der vergangenen zwei Jahre.
Die Dynamik der Impfgegner-Szene
Ein Arzt aus Niederbayern wurde Anfang Mai zu einem Jahr und acht Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 50.000 Euro verurteilt. Er hatte gefälschte Maskenatteste erstellt und in der Szene dafür geworben. Gegen den bekannten Mediziner und Buchautoren Sucharit Bhakdi ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein wegen Volksverhetzung. Das Land Rheinland-Pfalz zieht in Erwägung, Bhakdi das Tragen seines Professorentitels zu untersagen.
Das Gros der bislang gefallenen Urteile richtet sich gegen Organisatoren von Corona-Demonstrationen - etwa, weil Auflagen nicht eingehalten wurden. "Diese Strafen können vor allem bei Personen aus der zweiten Reihe existenzbedrohend sein. Personen, die keine Hunderttausenden, sondern nur ein paar Tausend Abonnent*innen hinter sich haben", sagt Josef Holnburger, der am Institut Cemas Verschwörungsideologien erforscht. "Da gibt es jetzt Videos, worin sie beschreiben, dass sie sich die Miete nicht mehr leisten könnten."
Viele bekannte Gesichter inzwischen im Ausland
Attila Hildmann, Bodo Schiffmann oder der Anwalt Reiner Fuellmich: Sie haben ihren Wohnsitz ins Ausland verlagert. Gegen alle drei laufen derzeit Ermittlungen in Deutschland. Dass so viele Köpfe inzwischen aus Deutschland ausgereist sind, sorge in der Szene auch für Kritik, berichtet Holnburger. "Bodo Schiffmann ist schon länger in Tansania. Seinen Aufrufen, auch nach Tansania, nach Mexiko oder in andere Länder zu ziehen, wurde aber nicht wirklich gefolgt."
Mit Arne Schmitt und dem DJ Björn Banane sind zuletzt zwei namhafte Querdenker wegen laufender Verfahren wieder aus Montenegro zurückgekehrt. Am Montag sprachen beide bei einer Querdenken-Demonstration in Gera, bei der Teilnehmer ähnlich viele Flaggen Russlands wie Thüringens schwenkten.
Maßnahmen-Gegner suchen neue Themen zum Mobilisieren
Überhaupt ist der Krieg in der Ukraine für die Querdenken-Szene bei der Suche nach neuen Themen Chance und Risiko zugleich. "Inzwischen unterstützt man meist Russland und teilt russische Desinformation. Das hat aber manche Teile der Szene, die sich gegen jeden Krieg positionieren, abgeschreckt", sagt Experte Holnburger.
Die ideologische Heterogenität der Querdenken-Bewegung tritt wieder stärker hervor. Je mehr Corona selbst in den Hintergrund gerät, desto stärker versuchen Querdenker, die Pandemie in übergreifende Verschwörungserzählungen über eine neue Weltordnung und einen Great Reset einzubetten. Teils wenden sich Kanäle wieder vermehrt ihren ursprünglichen Themen von Cryptowährungen bis Kinderrechten zu. Andere Personen tauchen auch ganz ab - teils auch, um kritische Fragen aus der Community zum Verbleib von Spendengeldern zu vermeiden.
Österreich als Rückzugsraum für Querdenken?
Holnburger geht davon aus, dass sich ein Großteil der alternativen Medienangebote aus dem Querdenken-Bereich nicht halten können wird.
Besorgt blickt Holnburger jedoch auf Österreich. Dort habe Querdenken-Gedankengut viel nachhaltiger gewirkt als in Deutschland. Man habe etwa erfolgreich Anhänger in Ärztekammern platzieren können. "Das könnte auch wieder nach Deutschland zurückschwappen, weil eine ganze Reihe österreichischer Alternativmedien hier Nutzer finden und auch gezielt Themen aus Deutschland ansprechen."
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