Candy Crush und Merkelchen: In einer Talkrunde bei der Audio-App Clubhouse plauderte Thüringens Regierungschef über die Bund-Länder-Schalten zur Pandemie - und sorgt für Aufregung.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ist mit einer Talk-Plauderei über die Bund/Länder-Beratungen zur Corona-Pandemie in die Kritik geraten. Der Linke-Politiker hatte in dem Format der neuen App Clubhouse berichtet, dass er sich bei den oft stundenlangen Ministerpräsidentenkonferenzen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem Smartphone-Spiel entspannt.
Zu späteren Behauptungen, er habe die Kanzlerin in der Talkrunde als "Merkelchen" bezeichnet, sagte er der Deutschen Presse-Agentur, es seien Versatzstücke aus dem Kontext gerissen worden. Bei einem erneuten Auftritt in der App am Sonntag entschuldigte sich Ramelow für seine Äußerungen und machte deutlich, dass er mit dem Audio-Portal künftig vorsichtiger umgehen werde.
Opposition in Thüringen kritisiert Ramelow scharf
Thüringens CDU-Chef Christian Hirte warf Ramelow Respektlosigkeit und Verantwortungslosigkeit vor. "Entweder ist es Ausdruck von Arroganz der Macht oder Amtsmüdigkeit", schrieb Hirte am Sonntag bei Twitter. Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie gehe es um Leben und Tod sowie um Existenzen und die Zukunft einer Schüler-Generation. "Wer sein Amt als Ministerpräsident so versteht, verspielt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger", schrieb Hirte.
Die Thüringer FDP-Fraktion bezeichnete Ramelows Agieren in der Corona-Pandemie als chaotisch. "Ramelow verbringt in den entscheidenden Beratungen seine Zeit lieber mit Daddeln", erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer FDP-Fraktion, Robert-Martin Montag.
- Jung, einsam, strebsam
Unis und Hochschulen sind seit fast zehn Monaten im Shutdown. Das heißt: Distanzlehre statt Präsenz. Mit weitreichenden Folgen für die rund 2,9 Millionen Studierenden.
Candy-Crush-Spiel während Bund-Länder-Konferenz
Über den Auftritt des 64-Jährigen in der Clubhouse-Talkrunde hatte zuvor die "Welt am Sonntag" berichtet. Ihr zufolge sagte Ramelow in der Runde in der Nacht zu Samstag, er schaffe bei den Treffen der Ministerpräsidenten mit Merkel bis zu zehn Candy-Crush-Level. Der dpa sagte Ramelow:
Das sei für ihn eine Methode zu entspannen. Bei den teils zehn Stunden langen Marathon-Sitzungen mit häufigen Unterbrechungen sei dies kein Aufreger. Es sei auch kein Geheimnis. Bei seinem Clubhouse-Auftritt am Sonntag äußerte er sich ganz ähnlich.
Clubhouse-Runde sollte "Trash Talk" behandeln
Organisiert hatte die Runde, in die sich Ramelow dann einklinkte, die 19 Jahre alte SPD-Nachwuchshoffnung Lilly Blaudszun aus Mecklenburg-Vorpommern, zusammen mit fünf Freundinnen und Freunden.
Es ging um Promis, Klatsch und Tratsch, wie sie der dpa berichtete. "Dann kam auf einmal Bodo Ramelow dazu, völlig ungeplant." Als er und andere Politiker dabei waren, sei grundsätzlich gesagt worden, dass dies kein Raum sei, um über politische Inhalte zu diskutieren. Es sei von Anfang an als "Trash Talk" bezeichnet worden und habe auch auf der Ebene bleiben sollen.
Beim Corona-Management zeigt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow Reue: "Die Kanzlerin hatte recht", sagte er bei "Markus Lanz".
ZDF-Korrespondentin Diekmann: "Kann nicht richtig sein"
ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Nicole Diekmann sieht den Auftritt dennoch kritisch, wie sie in einem Twitter-Thread am Sonntag deutlich machte. Wenn auf Clubhouse eine Atmosphäre entstehe, "in der hochrangige Politiker:innen meinen, sich so zu verhalten, in Anwesenheit auch vieler, vieler Journalist:innen, kann das nicht richtig sein. Abstand ist wichtig", bewertete Diekmann den Vorfall.
Sie habe noch keinen Anlass erlebt, "auf dem eine dermaßen ausgelassene Stimmung entstanden wäre, dass jemand ein Lied singt [CDU-Politiker Philipp Amthor hatte ebenfalls auf Clubhouse in einer Runde mit Journalisten das "Pommernlied" angestimmt] oder von Candy Crush erzählt, während über derart ernste Themen wie Todeszahlen, Mutanten, Kindeswohl und die Bedrohung finanzieller Existenzen gesprochen wird." Sie könne diese ausgelassene Feierei nicht nachvollziehen.