Vom Hotspot zum Primus: Sachsen hat aktuell die bundesweit niedrigste Inzidenz, das Land lockert die Corona-Regeln. Das aber wohl nur für einen kurzen Moment in der Pandemie.
Über lange Wochen war Sachsen in der Corona-Pandemie bundesweit der Hotspot. Unverändert ist der Freistaat Schlusslicht, was das Impfen angeht. Wegen der hohen Inzidenzen und der permanenten Überlastung der Kliniken galten in Sachsen ab Mitte November die strengsten Corona-Auflagen und Kontaktbeschränkungen.
Inzwischen hat Sachsen laut Angaben des Robert-Koch-Instituts vom Mittwoch den niedrigsten Inzidenzwert bundesweit. Vom Hotspot zum Primus? Wie geht das, fragt man sich. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagt:
Tourismus-Branche freut sich über Lockerungen
Ab Freitag wird gelockert. Im Tourismus zum Beispiel.
Für diese Chance haben sie auch in Oberwiesenthal am Fichtelberg seit Monaten gekämpft. 6.500 Einwohner hat der Wintersport-Ort. Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, dort sind so gut wie alle vom Tourismus abhängig.
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Nicht noch ein Lockdown-Winter
Allein bis November 2021, bilanziert Bürgermeister Jens Benedict, belaufen sich die Verluste auf anderthalb Millionen Euro. Noch einen Winter zu verkraften, wo gar nichts geht: schwer vorstellbar.
Den letzten Ski-Tag haben sie in Oberwiesenthal am 15. März 2020 erlebt, erinnert sich Rene Lötzsch von der Fichtelberg-Schwebebahn. An den Bedingungen lag es nicht, sondern am Lockdown. Wer Schlitten oder Ski fahren wollte, fuhr ein Stück weiter ins benachbarte Tschechien. Dort war alles möglich.
In Sachsen demonstrieren jeden Montagabend Tausende Menschen gegen die Corona-Politik.
Unter Einhaltung von 2G und 2G-plus wird nun gelockert. Aber für wie lange? In Oberwiesenthal freuen sie sich erst einmal, dass an diesem Wochenende hoffentlich wieder Leben einkehrt in den Ort. Die Schneekanonen laufen ununterbrochen.
Auch Kinos und Theater in Sachsen dürfen unter 2G-plus wieder öffnen. Für viele ein Zeichen der Hoffnung. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Clubs und Diskotheken bleiben jedoch weiter zu.
Öffnung oder "de facto Verschärfung der Situation"?
Und auch Gastronom Thomas Widmann sagt ernüchtert, für ihn lohne es sich nicht, weiter zu öffnen. Für die Gastronomie gilt ab sofort 2G-plus innen und 2G außen. Und nicht mehr um 20 Uhr, sondern erst um 22 Uhr müssen Gaststätten schließen.
Doch das klinge nur nach Öffnung - de facto sei es eine Verschärfung der Situation, so Widmann. Er sagt:
Er schließt nun alle seine Gaststätten in Dresden. Jetzt gerade. Bei dem niedrigen Impfstand in Sachsen kämen ohnehin nur 50 Prozent der Sachsen als Gäste infrage - das rette seine Unternehmen auch nicht. Wirtschaftlich seien seine Dresdner Restaurants ohnehin seit langem nicht mehr zu betreiben - aber noch mehr Verlust kann er sich nicht leisten.
Gastronomie braucht Corona-freien Sommer
Das Ersparte schmilzt und die staatlichen Hilfen kämen nicht nur sehr zögerlich, sondern reichten auch keinesfalls aus, die laufenden Kosten zu decken. Doch noch viel mehr Sorgen macht sich Thomas Widmann mit Blick in die Zukunft. Wenn der Sommer nicht die absolute Öffnung der Gaststätten zuließe, dann könne der Wirt seine Gaststätten nicht mehr betreiben.
Man muss kein Experte sein, um zu prognostizieren, dass die Entspannung der Lage in Sachsen nur kurz sein wird. Mit Blick auf die Omikron-Variante sagte die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD), es sei die Ruhe vor dem Sturm.
Anja Charlet ist Redakteurin und Reporterin im ZDF-Landesstudio Sachsen in Dresden.
- Brauchen wir bald den nächsten Booster?
Wann und ob eine weitere Corona-Impfung nötig ist, hängt davon ab, wie lange und gut der Schutz nach drei Impfstoffdosen anhält. Bislang ist die Datenlage dünn.