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Interview

Schulen vor Corona-Herbst : "Politik macht Hausaufgaben nicht"

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Corona-Winter Nummer drei: Die Ampel verhandelt über neue Maßnahmen. Wenig Erwartungen hat der Lehrerverband. "Die Politik macht ihre Hausaufgaben nicht", sagt Präsident Meidinger.

Mundschutzmaske hängt an Schülertisch
Die Schulen bereiten sich auf den nächsten Corona-Winter vor. Was fehlt: Vorgaben durch das Infektionsschutzgesetz.
Quelle: imago

ZDFheute: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verhandeln gerade über die Corona-Maßnahmen im Herbst. Hat einer mal bei Ihnen angerufen?

Hans-Peter Meidinger: Nein. Viele Kontakte laufen im Bildungsföderalismus auf Landesebene. Am Anfang der Corona-Pandemie war die Kommunikation dort auch sehr eng, aber die ist jetzt fast zum Erliegen gekommen

ZDFheute: Wann sind die Kontakte abgebrochen?

Meidinger: Sie sind abgebrochen, als die Lehrerverbände kritisiert haben, dass es zu wenig Vorsorge gab. Das wurde deutlich im zweiten Corona-Winter, als die Fehler des ersten wiederholt worden sind. Als es wieder keine Schutzmaßnahmen gab, keine rechtzeitigen Hygienepläne und viel zu spät eine Maskenpflicht. Das hat wohl auch mit Beleidigtsein zu tun.

Allerdings war der Austausch mit dem Gesundheitsministerium, ob der Minister nun Spahn oder Lauterbach heißt, nie gut. Die reden lieber mit Ärzten oder in Talkshows als mit Lehrerverbänden.

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ZDFheute: Nun steht der dritte Corona-Winter bevor. Was fehlt Ihnen?

Meidinger: Die Politik muss Vorsorge treffen, damit wir den normalen Schulalltag so wie im vergangenen Halbjahr, also mit vollständigem Sport- und Musikunterricht oder Klassenfahrten etwa, weiterhin aufrechterhalten können. Denn wenn ohne ausreichende Schutzmaßnahmen im Herbst 20 Prozent oder mehr der Lehrkräfte ausfallen, dann fängt man das nicht mehr auf. Dann kommt es zu Unterrichtsausfall, Klassen müssen tageweise zuhause bleiben.

Wir bevorzugen einen Unterricht ohne Maskenpflicht, aber die Politik muss zumindest die Möglichkeit schaffen, dass die Schulen im Bedarfs- und Notfall sie zumindest zeitweise wieder einführen können.
Hans-Peter Meidinger

Nach dem derzeitigen Infektionsschutzgesetz ist das nicht möglich.

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ZDFheute: Was spricht dagegen, es wie Nordrhein-Westfalen zu machen, wo nächste Woche die Schule wieder anfängt und es eine Empfehlung zum Tragen einer Maske gibt?

Meidinger: Freiwilligkeit verlagert das Problem in die Schulen. Dann haben sie dort den Konflikt, dass die einen Eltern empfehlen, Maske zu tragen, und die anderen, sie nicht zu tragen. Die Schutzwirkung ist am höchsten, wenn alle sich beteiligen.

ZDFheute: Was würde noch helfen, durch den Winter zu kommen?

Meidinger: Wir brauchen in der ersten Schulwoche nach den Ferien so eine Art Beobachtungs- und Vorsichtswoche, in der man verstärkt testet. Durch Lehrkräfte oder zuhause. Einfach um zu wissen, wie sich das Infektionsgeschehen über die Ferien entwickelt hat. Zwei Tests in der Woche wäre unsere Empfehlung.

Und nach wir vor gehört der Einbau von Lüftungsanlagen dazu, dazu bieten die Ferien jetzt ein Zeitfenster. Der Politik fällt immer nur Stoßlüften ein, was zu einem deutlich erhöhten Energieverbrauch in den beiden Corona-Wintern geführt hat. Obwohl die Schulen teilweise geschlossen waren.

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ZDFheute: Vielleicht sind aber die Schulen auch schon längst mit der Pandemie durch? Durch die hohen Infektionszahlen im Frühjahr hat diese "Durchseuchung" doch schon längst stattgefunden.

Meidinger: Ich bin kein Mediziner, aber das kann so nicht stimmen. Der Impfschutz lässt nach, viele sind nach wenigen Wochen zum zweiten Mal infiziert. Wir sehen in den Krankenhäusern und an den Schulen schon jetzt einen erheblichen Personalmangel durch ansteigende Corona-Erkrankungen. Und das ist unsere Hauptbefürchtung:

Wenn man nichts macht, wird die Infektionswelle im Herbst so heftig, dass wir so massive Personalausfälle haben, dass der Schulbetrieb beeinträchtigt wird. Und das, obwohl die Politik sagt, Schulen werden nicht mehr geschlossen.
Hans-Peter Meidinger
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ZDFheute: Würde es nicht reichen, den Schulen selbst zu überlassen, wie sie reagieren? Zum Beispiel, wann sie in den Digitalunterricht gehen?

Meidinger: Wir haben ja gesehen, wie wichtig Präsenzunterricht ist. Weil eben sonst Kinder abgehängt werden. Ich halte nichts von dem Modell in Sachsen-Anhalt, dass es an Dutzend Schulen nur noch an vier Tagen in der Woche Präsenzunterricht gibt. Ich habe den Verdacht, da sollen nur Lehrermangel und Unterrichtsausfall verschleiert werden.

Aber ich glaube auch, dass es sich bewährt hat, den Schulen mehr Handlungsspielraum zu geben. An einem gut ausgestatteten Oberschulzentrum kann Distanzunterricht gut sein, an einer Grundschule hätte ich eher Bauchschmerzen.

ZDFheute: Täuscht der Eindruck oder muss sich jetzt jeder wieder allein irgendwie durchwurschteln?

Meidinger: Ich fürchte, der Eindruck täuscht nicht. Die Politik macht ihre Hausaufgaben nicht und fasst bestimmte heiße Eisen nicht an. Das Thema Maskenpflicht ist selbst für einen klar definierten Notfall so emotionalisiert, dass kaum mehr jemand an den eigentlichen sachlichen Grund denkt. Nämlich dass Schulen nie wieder komplett geschlossen werden sollen.

Natürlich kann es sein, dass wir ohne Änderung des Infektionsschutzgesetzes durchkommen, wenn es keine neue Virusvariante gibt. Aber Politik darf sich nicht auf irgendwelche Hoffnungen verlassen. Sie muss für Notlagen vorsorgen.

Überhaupt keinen Instrumentenkasten zur Verfügung zu haben, halte ich aus den Erfahrungen der letzten beiden Jahre für falsch.
Hans-Peter Meidinger

Wir führen gerade die gleichen Diskussionen wie im Sommer 2020 und 2021.

Das Interview führte Kristina Hofmann

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