Eine Münchner Sicherheitskonferenz unter Corona-Bedingungen? Undenkbar! Und doch hat die Konferenz in diesem Jahr gezeigt, dass es möglich ist.
Die Münchner Sicherheitskonferenz unter Corona-Bedingungen? Undenkbar! Das außenpolitische Speed-Dating lebt von Nähe. Immer mehr Staats- und Regierungschefs, an die 80 Außen- und Verteidigungsminister, Berater, Experten und Journalisten quetschen sich jedes Jahr im Februar in den Ballsaal des Bayrischen Hofs, um die Lage in der Welt zu diskutieren.
In den letzten fünf Jahren war es eher ein Lamento: Angst vor Trump, Entsetzen über Trump, wie kann es weitergehen trotz Trump. Trump selbst kam natürlich nie. Fünf Jahre kollektiver Ratlosigkeit, europäischen Pfeifens im dunklen transatlantischen Wald und des Versuchs, sich irgendwie durchzuwursteln in einer Welt, in der die USA nicht mehr mitspielten.
Biden schürt transatlantische Hoffnung
Der Titel der letzten Konferenz 2020 lautete dann auch folgerichtig: Westlessness. Westlosigkeit, die Welt ohne westliches Bündnis. Nun ist Trump seit einem Monat Geschichte und der neue amerikanische Präsident Joe Biden hatte dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, Interesse an einer Reise nach München signalisiert und so Zentner von Steinen von transatlantischen Herzen fallen lassen.
Nach der Pandemie-bedingten Absage des Treffens erfand Ischinger einen kleinen, aber umso hochkarätigeren Ersatz: eine vierstündige, virtuelle Spezialausgabe der Münchner Konferenz aus dem Bayrischen Hof mit Präsident Biden, Kanzlerin Merkel, dem französischen Präsidenten Macron, UN-Generalsekretär Guterres und dem Chef der Weltgesundheitsorganisation Ghebreyesus.
- Davos digital: Viel Absicht, wenig Umsetzung
Eine Woche lang diskutierte die Welt im virtuellen Davos. Es gab viel Einigkeit über die Ziele - und ein überraschendes Bekenntnis aus den USA.
Sicherheitskonferenz: "Beyond Westlessness"
Jenseits der "Westlosigkeit". Es ist Bidens erste Rede an die Europäer und die Erwartungen sind riesig. Wird er die Rückkehr der USA zum Iranabkommen ankündigen? Was versteht er unter einer Wiederbelebung der transatlantischen Partnerschaft?
Was erwartet er von den Europäern, die in den Trump-Jahren versucht haben erwachsen zu werden (und es doch nicht wurden)? Was wird aus den Strafzöllen auf Flugzeuge und Stahl? Gelingt ein Schulterschluss USA-Europa gegenüber Russland und China?
- Politische Reaktionen auf US-Amtsübergabe
Nach der Amtsübergabe in Washington vereint die internationale Gemeinschaft in ihren Reaktionen vor allem eins: Hoffnung.
Problemzone USA und Europa?
Es gibt auch mit Biden genug Problemzonen zwischen den USA und Europa: die von den Amerikanern abgelehnte Gaspipeline Nord Stream 2, die europäischen Verteidigungsausgaben, die in der EU geplante Digitalsteuer, das Investitionsabkommen mit China, das die EU im Dezember noch hastig unter deutscher Ratspräsidentschaft durchwinkte.
Während Bidens Rede werden die Bundeskanzlerin und Frankreichs Präsident Macron zugeschaltet sein und unmittelbar danach reagieren können. Nach Jahren des Übereinander- könnte jetzt eine Phase des Miteinander-Redens beginnen. Virtuell, aber immerhin.
Ischinger: Konferenz wird nachgeholt
Wolfgang Ischinger will die echte, die drängelige, die proppenvolle Sicherheitskonferenz noch in diesem Jahr in München nachholen. Ob Joe Biden dann ein zweites Mal kommt, wird auch davon abhängen, ob die "Westlosigkeit" wirklich zu Ende ist.