Eine Impfpflicht sieht er nach wie vor skeptisch, erklärt Jens Spahn. Im Interview entschuldigt er sich für den Frust vieler Bürger und sagt: "Ich wäre gerne Minister geblieben."
Vier Jahre lang war Jens Spahn (CDU) Bundesgesundheitsminister, seit 2020 gehörte der Kampf gegen das Coronavirus zu seiner Hauptaufgabe. Nun, mitten in der vierten Welle der Pandemie, übergibt er die Amtsgeschäfte an Karl Lauterbach (SPD).
Im Interview mit dem ZDF heute journal sprach er noch einmal über die Corona-Pandemie, Impfstoff-Knappheit und seinen Nachfolger Lauterbach.
Sehen Sie das gesamte Interview oben im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Spahn ...
... über seine Forderung, die epidemische Notlage auslaufen zu lassen
"Ich habe diese rechtliche Debatte, dass wir diese rechtliche Ausnahmesituation verlassen könnten, zu einem falschen Zeitpunkt geführt. Das habe ich ja auch schon öffentlich gesagt. Es ging mir nie darum, dass wir die Maßnahmen beenden können."
"Ich habe mich da korrigieren können in der Einschätzung. Ich hätte mir gewünscht, die Ampel-Parteien hätten das auch gekonnt."
... über die Impfpflicht-Debatte
"Zuerst einmal finde ich die Debatte richtig, denn die hat ja einen Grund. Wir haben gut zwölf Millionen ungeimpfte Erwachsene in Deutschland und diese Zahl ist zu groß. Denn es sind ja vor allem die Ungeimpften, wo wir die große starke Belastung auf den Intensivstationen sehen. Die auch maßgeblich dazu beitragen, dass die Infektionszahlen so groß werden."
"Aber eine allgemeine Impfpflicht, so wichtig die Debatte ist, finde ich, hat nicht nur rechtliche Aspekte, sie hat auch gesellschaftliche Aspekte, ethische, medizinische und ganz praktische. Wie wollen Sie das eigentlich durchsetzen, eine solche allgemeine Impfpflicht, und kontrollieren, auf der Straße etwa, ob jemand geimpft ist oder nicht?"
"Die Österreicher haben ein Register aller geimpften Bürgerinnen und Bürger in Österreich und die schreiben einfach automatisch die Nicht-Geimpften an und stellen denen automatisch sozusagen einen entsprechenden Bescheid zu, dass sie zahlen müssen. Das ist eine andere Form der Durchsetzung als die Kontrollen auf der Straße."
"Da geht es wirklich um ein ganz grundsätzliches Verhältnis von Staat und Bürgern, von Freiheit des Einzelnen und Verantwortung für die Gesundheit des anderen."
... zur Frage, warum nicht genug Impfstoff da ist, wo er gebraucht wird
"Wir haben in zwei, drei Wochen die Impfkampagne enorm beschleunigt und ich kann meinem Nachfolger auch hier jetzt ein bestelltes Feld übergeben. Wir haben Impfstoff bereit gestellt für die nächsten Wochen, dass die Impfziele erreicht werden, dass über 30 Millionen Impfungen stattfinden können und das nächste Woche zum Beispiel acht Millionen Dosen Biontech auch wieder verfügbar sind."
"Ich weiß darum, dass es natürlich vor Ort in den Arztpraxen auch in der Umstellung stärker auf Moderna zu manchem Frust geführt hat. Das habe ich ja auch schon adressiert entsprechend. Aber entscheidend ist doch eines: Wenn wir draufschauen, dass wir gerade so schnell wie kein anderes Land in Europa und wenige andere Länder auf der Welt dieser Booster-Kampagne richtig Tempo geben. Ich sage noch einmal: Ich verstehe, dass es im Alltag diesen Frust, diese Wut gibt und dafür kann ich mich nur entschuldigen."
... zur Amtsübergabe an Karl Lauterbach
"Ich wäre gerne Minister geblieben. Ich habe das gerne gemacht, auch weil ich das als besondere Verantwortung erlebe und empfinde, gerade in dieser Zeit der Pandemie, auch bei aller Härte und bei aller Kritik. Ich hätte diese Aufgabe der Pandemie auch gerne zu Ende gebracht."
"Aber jetzt steht eben der Wechsel an und den werden wir ordentlich machen. Ich wünsche Karl Lauterbach dabei alles Gute, eine glückliche Hand auch im Interesse unseres Landes. Er hat meine Unterstützung und meine Handynummer hat er sowieso. Wenn etwas ist, können wir auch das dann besprechen."
Das Interview führte Marietta Slomka.
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