Die Kritik an Corona-Impfstoffverteilung und Impftempo schwelt weiter. Gesundheitsminister Spahn lässt deshalb eine andere Nutzung der verfügbaren Dosen prüfen.
In Schleswig-Holstein sind derzeit nur knapp die Hälfte der 29 eingerichteten Impfzentren in Betrieb. Es wurden nicht genügend Dosen geliefert. Die Diskussionen der Impfkommission die Impfstrategie zu ändern trifft im Norden auf Unverständnis.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lässt zwei Möglichkeiten prüfen, um mit dem vorhandenen Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer mehr Menschen impfen zu können als bisher geplant.
Prüfauftrag 1: Abstand bis zur zweiten Impfung
- Bisher ist in Deutschland vorgesehen, die erforderliche zweite Impfung nach drei Wochen erfolgen zu lassen - gemäß Empfehlung der Impfstoffhersteller.
- Geprüft wird nun, diesen Zeitraum auf bis zu sechs Wochen zu strecken.
- Vorteil: Mehr Menschen könnten in einem kürzeren Zeitraum die erste Impfung erhalten.
- Risiko: Die Wirksamkeit des Impfstoffes könnte niedriger sein.
Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Institut solle nach Sichtung entsprechender Daten dazu eine Empfehlung abgeben, heißt es in einem Schreiben des Gesundheitsministeriums, das mehreren Medien vorliegt.
ZDFheute hatte am Wochenende alle Bundesländer angefragt, ob und unter welchen Bedingungen sie längere Abstände zwischen den Impfungen angehen würden. Keines der sieben Länder, die geantwortet hatten, peilt derzeit andere Impfpläne an; sie behalten stattdessen die Hälfte des Vakzins ein, um die zweite, fristgerechte Impfung garantieren zu können. [Lesen Sie hier die Ergebnisse der Umfrage und was Hersteller Pfizer zu einer Ausdehnung des Zeitraums sagt]:
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Vorbild Großbritannien
In dem Schreiben, über das zunächst der "Spiegel" berichtet hatte, wird auf die in Großbritannien geübte Praxis verwiesen, den zeitlichen Abstand zwischen der ersten und der zweiten Impfung weit über die in der Zulassung maximal vorgesehenen 42 Tage hinaus zu verlängern.
"Eine solche Entscheidung in Abweichung von der Zulassung bedarf einer vertieften wissenschaftlichen Betrachtung und Abwägung", heißt es in dem Papier des Ministeriums. Denn in der nur zehnmonatigen Entwicklungszeit des Impfstoffes war nicht untersucht worden, wie sich eine spätere Gabe der zweiten Impfdosis auf die Immunität auswirkt.
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Prüfauftrag 2: Mehr Impfungen aus einem Fläschen
- Laut Hersteller werden für eine Impfung 0,3 Milliliter benötigt. Die Impfstofffläschchen sind zur Sicherheit überbefüllt. Die EU-Arzneimittelbehörde hat fünf Impfungen pro Fläschchen zugelassen.
- Geprüft wird nun, ob die Überbefüllung ausreicht für eine sechste Impfung.
- Vorteil: Bis zu 20 Prozent mehr Impfdosen stünden so zur Verfügung.
- Risiko: Eine Unterdosierung des Impfstoffes könnte dazu führen, dass das Mittel nicht die volle Schutzwirkung entfaltet.
Das Ressort von Spahn befürwortet die Möglichkeit der sechs Dosen - soweit die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. In den USA und der Schweiz wurde die Entnahme von sechs Impfdosen zugelassen. Die EU-Arzneimittelbehörde Ema muss dieser Änderung der Zulassung jedoch zustimmen.
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Biontech will Kapazitäten ausbauen
Biontech strebe eine Verdoppelung der Produktionskapazität an, heißt es in dem Schreiben weiter. Dazu diene insbesondere der Kauf und die Herrichtung eines Impfstoff-Werkes in Marburg.
"Das Land Hessen und das Paul-Ehrlich-Institut als Bundesoberbehörde begleiten und beraten das Unternehmen bestmöglich, um einen zügigen Produktionsstart noch im Februar 2021 möglich zu machen."
Weitere Impfstoffzulassungen erwartet
Schließlich verweist Spahns Ministerium auf die erwartete Zulassung mindestens eines weiteren Impfstoffes. Die finale Stellungnahme der europäischen Arzneimittelbehörde Ema werde für den 6. Januar erwartet.
"In den ersten Wochen ist mit mindestens 1,5 Millionen Dosen dieses Impfstoffes zu rechnen, insgesamt hat sich Deutschland allein über die europäischen Verträge für 2021 50 Millionen Impfdosen dieses Herstellers gesichert."