Gegner der Corona-Maßnahmen gehen immer öfter zu sogenannten "Spaziergängen" auf die Straße. Sind diese durch die Versammlungsfreiheit geschützt?
Corona-"Spaziergänge" - sie klingen spontan und harmlos, sind es aber oft nicht. In der Regel sind die Versammlungen von Gegnern der Corona-Maßnahmen geplant, organisiert, und es wird in Messengerdiensten wie Telegram dazu aufgerufen. Und: Immer öfter kommt es zu Aggressionen und gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Wie ist die rechtliche Lage dieser "Spaziergänge" - sind sie durch die Versammlungsfreiheit gedeckt? Wichtige Fragen und Antworten:
Was besagt das Recht auf Versammlungsfreiheit?
Dass man sich in Deutschland unter freiem Himmel versammeln kann ist ein elementares Gut, geregelt in Artikel 8 des Grundgesetzes, der Versammlungsfreiheit. Danach besitzen alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Versammlung definiert das Bundesverfassungsgericht als eine "örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen (mindestens zwei) zu gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung". Genau das behaupten viele Corona-"Spaziergänger" - dass sie sich ganz spontan getroffen hätten und zufälligerweise wären es dann mehr und mehr Leute geworden.
Hat die Versammlungsfreiheit auch Grenzen?
Die Versammlungsfreiheit gilt nicht vorbehaltlos, sondern es gibt Grenzen, die der zweite Absatz des Artikels 8 des Grundgesetzes deutlich macht. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Und das ist das Versammlungsgesetz.
Das sieht vor, dass eine Versammlung unter freiem Himmel spätestens 48 Stunden vorher beim zuständigen Ordnungsamt angemeldet werden muss. Darin anzugeben sind etwa: Anmelder, Art und Grund der Versammlung sowie eine voraussichtliche Teilnehmerzahl.
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Gibt es entgegenstehende Gründe, zum Beispiel eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, kann die Versammlung auch verboten werden. Doch vorher müssen die genehmigenden Behörden alles tun, um diese erkannte potenzielle Gefahr zu minimieren. Regelmäßig machen sie das mit Auflagen, die sie dem Anmelder mitteilen. Die können zum Beispiel sein: Reduzierung des Teilnehmerkreises, Festlegung von Routen und bestimmten Mindestabständen, Maskenpflicht und Benennung von Ordnern.
Welchen Spielraum haben die Behörden?
Es sind also von den genehmigenden Behörden Einschränkungen bis hin zur Untersagung möglich. Der entscheidende Anknüpfungspunkt aktuell: Wie spontan sind solche Corona-"Spaziergänge" wirklich?
Wenn schon Tage vorher in Messangerdiensten dazu aufgerufen wird, sich an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort zu versammeln, ist der Corona-"Spaziergang" nicht mehr spontan, sondern unterliegt der Anmeldepflicht bei den Ordnungsbehörden mit all den beschriebenen Konsequenzen.
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Übrigens können auch die, die für "spontane" Spaziergänge werben, von der Polizei als Versammlungsleiter und Ansprechpartner bestimmt werden, wenn sie persönlich bei dem Spazieren dabei sind.
Ist ein Verbot oder Abbruch eines "Spaziergangs" möglich?
Trotzdem: Wenn die Versammlung nicht sicher durchgeführt werden kann, ist sie nach dem Gesetz - unter Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - in Absprache zwischen Ordnungsbehörde und Polizei aufzulösen.
Sie aber im Vorfeld zu verbieten, ist schwierig. Denn erst muss der Beweis angetreten werden, dass die Versammlung nicht friedlich verläuft. Es muss also zunächst abgewartet werden, wie die Versammlung verläuft. Doch wenn Auflagen nicht eingehalten werden, kann durchgegriffen werden.
Christoph Schneider arbeitet in der ZDF-Redaktion Recht & Justiz