Reden, zuhören - und noch ein bisschen mehr. In seiner Oster-Ansprache macht Bundespräsident Steinmeier Mut und fordert "Klarheit und Entschiedenheit" im Umgang mit der Pandemie.
Was kann, was darf ein Bundespräsident tun in Zeiten von Corona? Um ehrlich zu sein, nicht wirklich viel. Staatsbesuche, Repräsentieren, das Land vertreten im Ausland, die mehr oder wenigen guten Beziehungen zu anderen Staaten pflegen - seit über einem Jahr Fehlanzeige. Durch das eigene Land reisen, Gespräche mit den Bürgern vor Ort führen, zuhören, diskutieren, für Demokratie werben - Frank-Walter Steinmeiers Lieblingsthema - ebenfalls Fehlanzeige.
Was also macht der Bundespräsident in diesen Zeiten, fragen viele. Zu Recht.
Natürlich führt er weiterhin Gespräche, vor allem digital. Macht immer wieder mal einige Videogesprächsrunden mit Betroffenen der Corona-Pandemie, seien es Künstler, Auszubildende, Studierende, aber auch mit Hinterbliebenen. Ebenso zu den Themen Rassismus und Demokratie.
Jede für sich mit beeindruckenden, teilweise bewegenden Redebeiträgen, aber das findet weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Deutliche Worte - an Bürger, wie an Politiker
Daher war es höchste Zeit, mit einer Oster-Ansprache die Bürger, aber vor allem auch die Politiker*innen aufzurütteln. Nach Wochen des Chaos beim Thema Impfen und Testen und nach gescheiterten MPK-Runden. Nach einer noch nie dagewesenen Entschuldigung der Kanzlerin für das Theater um die sogenannte Osterruhe und in Tagen vor einem möglichen wirklichen Lockdown des Landes, ist es mehr als angebracht, deutliche Worte zu finden.
Und so spricht Steinmeier von einer Krise des Vertrauens. Er spricht von Fehlern beim Testen, Impfen und in der Digitalisierung. Alles lange bekannt, interessanter ist es, dass er gleichzeitig vor politischem Streit als Selbstzweck warnt. Bund und Länder, Parteien und Koalitionen und Umfragen dürften nicht die Hauptrolle spielen, die Erwartung an die Regierenden sei klar: "Rauft Euch zusammen".
Adressiert ist das an alle, an die Kanzlerin, an die Ministerpräsident*innen, an die Opposition, an alle politisch Handelnden.
Steinmeier versucht, Vertrauen zu schaffen
Mahnende, deutliche Worte, die längst überfällig waren von einem Staatsoberhaupt, der über den Parteien steht, der nur die Kraft der Worte hat in dieser Krise. Zugleich versucht Steinmeier, den Menschen Mut zu machen, Vertrauen in die Impfstoffe zu haben. Er selber ließ sich übrigens diese Woche mit dem umstrittenen Astrazeneca impfen.
Ob Steinmeiers Worte gehört werden, ob sie Auswirkungen haben auf die politisch Handelnden, bleibt fraglich. Aber er spricht sicherlich vielen Bürgern aus der Seele, und sehr viel mehr kann und darf ein Bundespräsident eben nicht machen. Versuchen könnte und sollte er es jedoch häufiger, eine ausgleichende, mahnende Stimme mit Blick auf das große Ganze - das fehlt in diesen Chaostagen und Chaoswochen.