Boris Johnson soll gesagt haben, er würde eher "Leichen sich stapeln" lassen als einen dritten Lockdown zu verhängen. Der britische Premier dementiert, doch der Druck steigt.
Es ist ein Zitat mit Sprengkraft, das den britischen Premierminister Boris Johnson zehn Tage vor den Kommunalwahlen in Großbritannien unter Druck setzt.
In einer internen Diskussion über den dritten Corona-Lockdown, den Johnson zu Beginn des Winters noch unbedingt verhindern wollte, soll er Medienberichten zufolge gesagt haben, dass er eher "Leichen sich stapeln" lassen würde, als ein weiteres Mal einen Lockdown zu verhängen. Im Englischen: "Let the bodies pile high in their thousands".
Johnson dementiert: "Nein"
Zunächst hatte die "Daily Mail" unter Berufung auf Quellen aus Regierungskreisen darüber berichtet. Doch unter anderem die BBC legte später unter Berufung auf eigene Quellen nach. Johnson habe den Satz gesagt, berichtete der Sender - und das sogar nach Johnsons offiziellem Dementi.
Johnson selbst bestritt am Montag, dass er die umstrittene Äußerung gemacht habe. Auf eine entsprechende Frage eines Reporters antwortete er knapp mit "Nein". Und setzte sofort hinzu, er denke, die Menschen erwarteten vor allem von der Regierung, "dass die Lockdowns funktionieren".
Johnson: Immer mehr Skandale werden öffentlich
Der britische Premierminister kämpft bereits mit einem Lobby-Skandal, in den Mitglieder seiner Regierung verwickelt sind, und einer Reihe angeblich eigener Fehltritte. In einem explosiven Beitrag auf seiner Website hatte Johnsons früherer Chefberater Dominic Cummings am vergangenen Freitag schwere Vorwürfe gegen den Premierminister erhoben.
Unter anderem berichtete er ausführlich über Pläne Johnsons, private Spender für die Renovierung seiner Wohnung in der Downing Street aufkommen zu lassen.
Mit seinem Rundumschlag gegen Johnson wehrte sich Cummings gegen Medienberichte, wonach er hinter der Weitergabe von vertraulichen Textnachrichten stehen soll, die Johnson in ein schlechtes Licht rücken. Laut "Daily Mail" hatte Cummings zudem vor seinem stürmischen Abgang aus der Downing Street im Dezember Tonaufnahmen und Notizen von wichtigen Treffen angefertigt.
Rücktrittsforderungen von Opposition
Der Fraktionsführer der schottischen SNP im britischen Unterhaus, Ian Blackford, nannte die mutmaßlichen Äußerungen Johnsons "zutiefst abscheulich". Sollten sie tatsächlich zutreffen, müsse der Regierungschef zurücktreten, erklärte er auf Twitter. Johnson müsse dem Parlament zu den "schockierenden Behauptungen" und den anderen Skandalen seiner Regierung Rede und Antwort stehen, forderte Blackford weiter.
Auch Labour-Chef und Oppositionsführer Keir Starmer verlange eine umfassende Untersuchung aller Anschuldigungen. Bereits am Montag sollte der höchste britische Beamte, Simon Case, von den Abgeordneten zu den Vorwürfen gegen Johnson und andere Regierungsvertreter befragt werden.
Großbritannien kämpft sich aus der Krise
Mit mehr als 127.000 Todesfällen ist Großbritannien das am schwersten von der Pandemie betroffene Land Europas. Wegen seines Umgangs mit der Krise war Johnson lange Zeit scharf kritisiert worden. Angesichts der erfolgreichen Impfkampagne stieg seine Popularität zuletzt jedoch wieder deutlich an.
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