In einigen Regionen in Deutschland stoßen die Intensivstationen an ihre Belastungsgrenzen. Doch es gibt eine landesweite Strategie, um Chaos in den Krankenhäusern zu vermeiden.
Es war eine Meldung, die am Mittwoch deutschlandweit aufhorchen ließ. Im sächsischen Zittau soll es auf einer Intensivstation eine Triage-Situation gegeben haben. So soll es der Chef des Klinikums Oberlausitzer Bergland, Mattias Mengel, bei einem Online-Bürgerforum berichtet haben. Einige Stunden nach dieser Meldung ruderte ein Kliniksprecher zurück. Zu keinem Zeitpunkt sei jemand "nicht oder nicht mehr beatmet" worden.
Dennoch schlägt gleichzeitig der Zittauer Oberbürgermeister Alarm:
Die Krankenhäuser der Region hätten ihre Leistungsgrenze in der Corona-Pandemie überschritten, warnte Zenker.
Chaos wie in Norditalien soll verhindert werden
Auch in anderen Landkreisen und Städten in Deutschland stehen nur noch wenige Intensivbetten zur Verfügung, in einzelnen Landkreisen in Bayern war am Mittwoch zwischenzeitlich kein Intensivbett mehr frei.
Die Lage in den Bundesländern (Stichproben)
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Bund und Länder wollen verhindern, dass es in deutschen Krankenhäusern zu ähnlichen Situationen wie im Frühjahr in Norditalien kommt, als Ärzte gezwungen waren über Leben und Tod von Intensivpatienten zu entscheiden.
Zusammen mit Wissenschaftlern ist eine Verteilungsstrategie für den Ernstfall entwickelt worden. Sie soll verhindern, dass es Intensivärzte entscheiden müssen, wen sie weiter behandeln und wen nicht - die sogenannte Triage.
Einteilung in fünf Regionen
Nun soll das "Kleeblattsystem" die gegenseitige Unterstützung der Bundesländer bei der Aufrechterhaltung der intensivmedizinischen Versorgung regeln. Das Kleeblattsystem teilt Deutschland in fünf Gebiete ein.
Sind einzelne Bundesländer oder Regionen mit der Behandlung von Intensivpatienten überlastet, durch fehlende Betten oder Personalmangel, tritt das System in Kraft. Dann verlegen die Bundesländer Patienten in Krankenhäuser mit ausreichenden Kapazitäten und einem weniger dynamischen Infektionsgeschehen in der Region.
Begrenzte Transportmittel
Für die Verlegungen stehen spezielle Transportwagen und Transporthubschrauber zur Verfügung, allerdings in begrenzter Zahl, erklärt Prof. Jan-Thorsten Gräsner, Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin in Kiel.
Während eines digitalen Expertengesprächs der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) erklärte Gräsner, dass bereits der gleichzeitige Transport von "sechs Intensivpatienten" eine Herausforderung sei.
Im Notfall müssen Mediziner*innen priorisieren: Triage. Worum geht es dabei und wie werden Entscheidungen getroffen?
Deutsche Bahn und ADAC sollen helfen
"Deswegen gibt es im Kleeblattsystem zusätzliche Einheiten, die der Bund koordinieren kann", so Gräsner.
Um im Ernstfall Patienten verlegen zu können, sollen
- Züge der Deutschen Bahn
- Transportflugzeuge der Bundeswehr
- Flugzeuge von ADAC, Deutscher Rettungsflugwacht (DRF),
- sowie die Johanniter-Luftrettung
eingesetzt werden.
Die Zahl der freien Betten geht bundesweit seit Oktober zurück. "Das liegt an steigenden Covid-19 Fallzahlen, aber vor allem auch am Personalmangel in den Kliniken", erklärt Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis, Leiter des DIVI-Intensivregisters. Grund dafür seien Erkrankungen in der Belegschaft sowie die Überlastung des Personals.
Es gibt eine Notreserve
Sinkt die Zahl der freien Intensivbetten weiter, könnte deutschlandweit eine Notreserve von rund 11.000 Betten aktiviert werden. "Das bedeutet jedoch, dass Personal aus anderen Abteilungen abgezogen werden muss und man diese schließen oder zumindest drastisch runterfahren muss", so Karagiannidis im Rahmen des digitalen Expertengesprächs des DIVI. Und: "Wenn wir da dran müssen, dann bedeutet das einen substanziellen Einschnitt in der Krankenhausmedizin."