Obwohl es in der Türkei relativ spät losging, wurden bereits mehr Menschen geimpft als in Deutschland. In der Türkei wird vor allem der chinesische Impfstoff CoronaVac eingesetzt.
"Sie sind gesund, haben die Altersgrenze noch nicht erreicht und sind daher noch nicht für eine Impfung vorgesehen!" Diese Meldung ploppte auf Ferah Candirans Display auf, nachdem sie unsere Personalausweisnummern in ihre Arzt-App eingegeben hatte.
Auch hier: Klare Impfreihenfolge
"Würdest du im Gesundheitsbereich arbeiten, wäre das hier notiert, und deine Impfung wäre freigegeben worden." So aber müsste sie mich wieder nach Hause schicken, sagt sie. Denn in der Türkei sind zunächst erst mal die Mitarbeiter des Gesundheitssystems und die ältesten MitbürgerInnen für die erste Impfwelle vorgesehen.
Ferah Candiran leitet das Gesundheitsamt im Istanbuler Stadtteil Gaziosmanpaşa. Von hier aus koordiniert sie die Corona-Strategie des türkischen Gesundheitsministeriums für die 600.000 Einwohner ihres Bezirks.
Ärzte haben Zugriff auf Patienten-Daten
Zu dieser Strategie gehört eine Mobilfunk-App, die türkischen Ärzten Zugang zur Zentraldatenbank des nationalen Gesundheitssystems gewährt. Jeder amtlich gemeldete Bürger ist dort mit seiner Personalausweisnummer und seiner Krankenakte gespeichert. Für deutsche Datenschützer wäre das ein absolutes No-Go.
meint Candiran, "aber in diesen Zeiten der Pandemie müssen wir andere Prioritäten setzen."
Um schnell und effektiv zu impfen, wird jede Anmeldung mit der Datenbank abgeglichen. Nur, wer die Kriterien erfüllt, bekommt die erste Dosis des chinesischen CoronaVac Impfstoffs der Firma Sinovac.
Erste Anlaufstelle Hausarzt
Weil der Kampf der Türkei gegen das Corona-Virus voll digitalisiert ist und das Land über eine sehr gute Gesundheitsinfrastruktur verfügt, hat das Impfen im Land sehr schnell an Fahrt aufgenommen. Obwohl es erst einen Monat nach Beginn der Impfkampagne in Deutschland losging, sind - Stand Montag, 15. Februar 2021 - bereits 4,6 Millionen Türkinnen und Türken mindestens einmal geimpft. In Deutschland sind es bislang rund 3,5 Millionen.
Impftermine sind sowohl telefonisch als auch online zu bekommen. Zuständig ist zunächst mal die sogenannte Familienpraxis. Die kennt ihre KundInnen, denn sobald jemand seinen Wohnsitz amtlich anmeldet, bekommt er oder sie eine Hausarztpraxis in direkter Umgebung der Wohnung zugewiesen.
Auch mobile Impfteams im Einsatz
Dort werden die Krankendaten verwaltet, und dort wird schriftlich oder telefonisch der Kontakt zu den PatientInnen hergestellt, wenn Untersuchungstermine gemacht, Covid-Tests durchgeführt, Medikamente verschrieben und zugestellt werden müssen - oder eben Impfungen durchgeführt werden sollen. In Gaziosmanpaşa arbeiten 140 Hausärzte, außerdem gibt es dort elf private und ein staatliches Krankenhaus.
meint Ferah Cankiran, "aber es bleibt uns nichts anderes übrig." Sie koordiniert auch 30 mobile Einsatzteams ihres Gesundheitsamts, die BürgerInnen tagein tagaus zuhause besuchen, um Covid-Tests an der Hautsür durchzuführen, Infektionsketten nachzuverfolgen und Impfdosen zu spritzen.
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Türkei will auch Sputnik V einsetzen
Das System arbeitet sehr effektiv. Für manche gar zu effektiv. So gab es Kritik daran, dass das automatisierte Terminsystem den Familienpraxen teilweise im Fünf-Minuten-Abstand PatientInnen aus der Nachbarschaft schickte, obwohl mindestens 20 Minuten zwischen den Besuchen liegen sollen, damit sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig in den Räumen aufhalten.
Die türkische Regierung setzt beim Impfen vor allem auf China. 100 Millionen Dosen CoronaVac sind bestellt. Über 15 Millionen sind bereits geliefert. Lieferverträge gibt es auch mit Pfizer/BionTech. Und sobald die Zulassung für den russischen Impfstoff Sputnik V erteilt ist, soll dieser dann auch in der Türkei in Lizenz selbst hergestellt werden.
Jörg Brase leitet des ZDF-Studio in Istanbul.