Bereits zum Impfstart in den USA wurde deutlich: Struktureller Rassismus hat Einfluss darauf, wer sich impfen lässt und wer nicht. Vor allem schwarze Menschen sind im Nachteil.
"Wir müssen die Sprache der Menschen sprechen", erklärt Dr. Stephen B. Thomas aus Maryland. Seine Patient*innen nennen ihn nur Dr. T., viele kennt er schon lange. Seit Jahrzehnten macht Thomas sich für Gleichberechtigung im Gesundheitswesen stark, durch die Corona-Pandemie sieht er erneut große Ungleichheit zwischen Schwarzen und Weißen. Zahlen einer Kaiser Health Umfrage von Januar belegen, 43 Prozent der Schwarzen sind zögerlich, wenn es ums Impfen geht. Bei Latinos sind es 37 Prozent, bei Weißen hingegen nur 26 Prozent.
Dabei sind die sogenannten People of Color in den USA am schlimmsten von Covid-19 betroffen, sie machen weit mehr als die Hälfte aller Erkrankten und Corona-Toten aus.
US-Präsident Joe Biden warnt, in Anbetracht der hohen Zahl an Corona-Toten abzustumpfen: „Wir müssen uns dagegen wehren, gefühllos gegenüber dem Leid zu werden.“
Misstrauen gegen Gesundheitswesen ist historisch gewachsen
Das Misstrauen gegen das Gesundheitswesen ist in der schwarzen Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg gewachsen. Einst wurden sie für medizinische Versuche missbraucht und wie Menschen zweiter Klasse behandelt.
So wurde 1932 in Alabama in der Tuskegee-Studie Hunderten Afroamerikaner*innen vorgemacht, sie würden gegen Syphilis behandelt, mit der sie sich infiziert hatten. Doch sie bekamen keine Behandlung und wurden getäuscht, da weiße Mediziner*innen den natürlichen Verlauf der Krankheit untersuchen wollten. Die Versuchspersonen waren zum großen Teil arm, konnten weder lesen noch schreiben. Sie hatten keinerlei Ahnung, dass sie Teil dieser menschenverachtenden Beobachtung waren.
Dr. Thomas kämpft gegen das Misstrauen an. Über sogenannte Barbershops, Friseurgeschäfte speziell von und für Schwarze, will Dr. Thomas nun die Menschen erreichen und über die Impfung informieren. "Ich glaube nicht, dass die Impfung sicher ist" und "Ich vertraue den Mediziner*innen nicht, dass sie uns die Wahrheit sagen" - das sind Sätze, die die Friseur*innen hier anfangs häufig hörten.
Informationen über Impfung leicht zugänglich machen
Mit seinem "HAIR"-Projekt in den Barbershops von Maryland möchte Thomas das mangelnde Vertrauen in die Medizin wiederaufbauen.
Denn neben Ängsten und Vorurteilen ist auch der Zugang zu Information ein Problem für die geringe Zahl von Geimpften. Informationen über Corona und die Impfung gibt es meist beim Arzt oder im Krankenhaus. Für viele Menschen hier ohne allgemeine Krankenversicherung, ist diese so schwerer zu bekommen, weil sie nicht regelmäßig zum Arzt gehen.
Vertrauen bei Patienten schaffen
Geringere Bildungschancen und Wohlstand wirken sich auch auf die Lebensumstände der Bevölkerung aus und führen zu einem höheren Risiko, an Corona zu erkranken.
Dr. Taison Bell, Arzt und Experte für Viruserkrankungen, erklärt:
Denn die meisten Impfzentren seien in weißen, wohlhabenden Nachbarschaften, berichtet Bell. Dort befindet sich häufig bereits eine besser ausgebaute medizinische Infrastruktur als in Wohngegenden mit überwiegend Schwarzer oder Latino Bevölkerung.
Als schwarzer Arzt versucht er auch durch Transparenz Vertrauen bei seinen Patient*innen und in der Öffentlichkeit zu schaffen und postet Bilder seiner eigenen Impfung bei Twitter. "Es ist wichtig, dass Menschen sehen, dass andere, denen sie vertrauen, sich auch impfen lassen."
Denn immer noch sind nur rund fünf Prozent der Ärzt*innen in den USA Schwarze, obwohl dreizehn Prozent der Bevölkerung schwarz sind. Solche Aktionen sollen zu mehr Sichtbarkeit und dadurch Vertrauen führen.
Auch Dr. Thomas versucht weiter aufzuklären. Deshalb will das "HAIR"-Projekt in einem nächsten Schritt ein Comic-Heft in den Barbershops auslegen, das in einfacher Sprache über die Krankheit und die Corona-Impfung aufklärt.
Der Autorin auf Twitter folgen @Alica_Jung
Rassismus ist in den USA längst nicht mehr nur eine Frage von Schwarz oder Weiß. Das Land ist gespalten. Eine schwere Aufgabe für Biden und Harris.