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Gerüchte über Reformvorhaben : WHO-Pandemievertrag kein Ende der Demokratie

Datum:

Querdenker und Verschwörungsgläubige machen mit alarmistischen Aussagen Stimmung gegen geplante Reformvorhaben der Weltgesundheitsorganisation. Die Kampagne erreicht den Bundestag.

WHO-Zentrale am 06.02.2020 in Genf
Die WHO-Zentrale in Genf: Reformen wären dringend nötig. (Archivbild)
Quelle: Reuters

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will Konsequenzen aus der Corona-Pandemie ziehen und verhandelt über ein umfangreiches Reformprogramm. Querdenker und Verschwörungsgläubige wittern darin eine neue Weltverschwörung und das Ende der Demokratie.

Welche Reformen plant die WHO?

Am Sonntag startet in Genf die Weltgesundheitsversammlung. Dort wird es auch um die Rechte der WHO beim Kampf gegen Pandemien gehen, der Reformbedarf ist groß. Die globale Ausbreitung des Coronavirus konnte die WHO nicht verhindern, was auch an schlechter finanzieller Ausstattung und politischen Abhängigkeiten von Staaten wie China lag.

Deshalb haben etwa die USA und weitere Nationen eine Anpassung der sogenannten Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO vorgeschlagen. Staaten sollen Informationen wie relevante Infektionsfälle künftig schneller melden, die WHO mehr Befugnisse beim Erklären von Notlagen erhalten, oder WHO-Experten sich einfacher vor Ort ein Lagebild verschaffen dürfen.

Parallel läuft noch ein zweiter, deutlich umfangreicherer Reformprozess: die Ausarbeitung eines internationalen WHO-Pandemievertrags. Darauf haben sich die 194 WHO-Mitgliedsstaaten im Dezember 2021 geeinigt. Dieser Prozess steht noch am Anfang und die zuständige Verhandlungsgruppe wird ihre Empfehlungen erst 2024 vorstellen. Wie bei vergleichbaren internationalen Verträgen müsste auch dieser durch den Bundestag ratifiziert werden.

Ob das Kennedy-Attentat, 9/11 oder das Coronavirus - Verschwörungstheorien haben Konjunktur, auch dank des Internets. Doch sie sind kein Phänomen der Moderne.

Beitragslänge:
44 min
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Was behaupten Querdenker über die WHO-Vorhaben?

Diese Reformvorhaben sind Ziel einer aktuellen Kampagne von Corona-Kritikern. ZDFheute liegen eine Reihe von Briefen vor, die in den vergangenen Tagen bei zahlreichen Bundestagsabgeordneten eingegangen sind. Viele der Schreiben bestehen aus wortgleichen Absätzen, die teils direkt von alternativen oder rechtskonservativen Nachrichtenmedien und Blogs aus dem Umfeld der Querdenken-Bewegung übernommen wurden.

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"Der vorgeschlagene Vertrag zielt darauf ab, das Diktat der WHO an die Stelle der nationalen Souveränität und des Rechts des Einzelnen zu setzen", heißt es in einem Brief. "Pandemievertrag der WHO: Beginnt ab dem 28. Mai die Entmachtung des Parlaments?", titelt ein Schreiben, das wie viele andere auch die beiden getrennten Verhandlungen über Pandemievertrag und Internationale Gesundheitsvorschriften durcheinanderwirft.

Immer wieder werden in der Pandemie etablierte Feindbilder aufgegriffen: "Mächtige Spieler wie die Johns-Hopkins-Universität und Bill Gates" würden im Auftrag der Pharmaindustrie auf die Errichtung einer "immerwährenden Gesundheitsnotlage" drängen.

Was sagen Experten zu den Gerüchten?

Andreas Wulf von der Menschenrechtsorganisation Medico International setzt sich seit Jahren für eine Reform der WHO ein, auch um sie unabhängiger von den Interessen westlicher Industriestaaten und der Pharmaindustrie zu machen. "Gerade die 'jeder für sich zuerst'-Politik vieler Staaten hat die Pandemie eindeutig befeuert und deren Bekämpfung erschwert", sagt Wulf ZDFheute.

Die WHO als einzige multilaterale Institution, in der alle Staaten mitreden und mitentscheiden, bleibt der glaubwürdigste Akteur für eine globale Krisenlösung und muss daher gestärkt werden.
Andreas Wulf, Medico International

Bereits in den Internationalen Gesundheitsvorschriften von 2005 seien die WHO-Mitgliedsstaaten Kooperationsverpflichtungen eingegangen, betont Wulf. "Die WHO ist allerdings keine 'Gesundheitspolizei', die ihre Mitgliedstaaten dazu zwingen kann, diese umzusetzen." Von den Inhalten des geplanten WHO-Pandemievertrags sei bislang wenig bekannt, erst im Juli werde ein erster Zwischenbericht vorgelegt.

Verfolgen WHO-Verschwörungsgläubige eine etablierte Strategie?

Steffen Angenendt, UN-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, erinnert das Vorgehen der Pandemie-Kritiker an eine Kampagne vor mehreren Jahren:

Es gibt durchaus Parallelen zwischen der aktuellen Debatte über den WHO-Pandemievertrag und dem Globalen Migrationspakt von 2018: In beiden Fällen wurden die Vorhaben zum Teil mit massiven Falschmeldungen skandalisiert, und die Kampagnen gingen von einem kleinen Kreis von Akteuren aus.
Steffen Angenendt, Stiftung Wissenschaft und Politik

Damals habe es eine pan-europäische Anti-Pakt-Kampagne gegeben, deren Zerrbilder bis ins Parlament getragen wurden, so Angenendt. "Die Regierung konnte keine positive Darstellung des Paktes entwickeln. Das rächt sich bis heute, es gibt immer noch eine Zurückhaltung vieler Politiker in Bezug auf die öffentliche Werbung für den Migrationspakt. Ähnliches droht jetzt auch in Hinblick auf den Pandemievertrag."

Auch die G7-Staaten planen, laut Minister Lauterbach, einen Pandemie-Pakt:

"UN-Vertragswerke eignen sich besonders für Narrative von nationalem Souveränitätsverlust", betont Angenendt. Sie seien eine fachlich schwierige Materie, die Verhandlungen komplex - und viele Akteure beteiligt. "Die Folgewirkungen solcher internationaler Rahmenwerke werden grotesk übertrieben. Das alles ist eine toxische Mischung für eine rationale Auseinandersetzung mit dem Für und Wider solcher Abkommen, aber genau darum geht es den Populisten: Scharf machen statt Lösungen für Probleme suchen."

AfD greift die Pandemievertrag-Gerüchte auf

Wer das Thema bereits für sich politisch entdeckt hat, ist die AfD. Für Freitag hatte die Fraktion eine Aktuelle Stunde dazu im Bundestag geplant. Der Titel: "Souveränität erhalten - Einfluss der WHO nicht ausweiten." Am Donnerstagnachmittag wurde sie kurzfristig wieder abgesagt. Grund seien keine inhaltlichen, sondern administrative Gründe, heißt es aus der AfD-Bundestagsfraktion. Ob man das Thema zu einem späteren Zeitpunkt nochmal ins Parlament bringen werde? "Das ist gut möglich", so ein Fraktionssprecher zu ZDFheute.

Auch in den sozialen Medien springt die AfD auf das Thema auf: "WHO-Weltverfassung stoppen!", so ein Aufruf in einem YouTube-Video des Bundestagsabgeordneten Peter Boehringer von Donnerstag. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle kritisiert gegenüber ZDFheute:

Wie schon beim UN-Migrationspakt macht sich die AfD hier zum parlamentarischen Arm einer Angstkampagne voller Falschinformationen.
Konstantin Kuhle, Vize-Chef der FDP-Bundestagsfraktion
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ZDFheute-Recherche - Zu wenig Personal durch Corona-Impfpflicht? 

Die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht wird seit zwei Monaten umgesetzt. Eine ZDFheute-Recherche zeigt: Die befürchteten Personalausfälle in der Pflege sind ausgeblieben.

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