Kontakte zu reduzieren bedeutet Kontrolle über das Infektionsgeschehen zu erlangen - das sagt Epidemiologe Dirk Brockmann. Warum das mehr bringt als Reisebeschränkungen.
Fast 7.000 Neuinfektionen, immer mehr Corona-Hotspots und überlastete Gesundheitsämter: Ist die Lage außer Kontrolle? RKI-Epidemiologe Dirk Brockmann ordnet ein.
Epidemiologe Dirk Brockmann erklärt gegenüber ZDFheute, was seiner Einschätzung nach hilft, die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zurückzugewinnen - und warum Kontaktbeschränkungen seiner Auffassung nach mehr bringen als Reisebeschränkungen.
Verkleinerung von Personen-Clustern: Reduktion, kein Verzicht
Menschen als "soziale Tiere" würden sich in sogenannten Clustern bewegen, erklärt Virologe Dirk Brockmann. Das würden zahlreiche Modelle bestätigen. Demnach hätte eine Reduktion dieser Cluster eine deutlich höhere Auswirkung auf die Ausbreitung des Virus als man vielleicht zunächst annehmen würde.
Beispiel: Verkleinere man eine Gruppe von ursprünglich 50 Personen auf 25 Personen, halbiere sich dadurch auch die Zahl möglicher Kontakte. Nach einer weiteren Verkleinerung der Gruppe um die Hälfte der Personen würden die Kontakte bereits geviertelt. Das Prinzip sei simpel - und lasse sich beliebig fortführen, erklärt Brockmann.
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Virologe Brockmann: "Kontrolle des Virus liegt bei uns"
In diesen Cluster-Modellen werde kein Verzicht von Kontakten vorausgesetzt. Es gehe lediglich um eine Reduktion von Kontaktpersonen. Das sei wichtig, um dem Virus die Grundlage zu entziehen, sich weiter verbreiten zu können. Eine starke Reduktion von Kontakten könne bereits nach etwa 10 bis 14 Tagen Effekte im Infektionsgeschehen zeigen, sagt Brockmann.
Jeder Einzelne müsse sich bewusst werden, dass er oder sie das Virus potenziell übertragen könne. Mit verantwortungsvollem Handeln könne also jeder einen Beitrag dazu leisten, die Kontrolle über das Virus zu gewinnen - und auch die Pandemie einzudämmen.
Reisebeschränkungen im Vergleich weniger effektiv
Reisebeschränkungen hätten dagegen eher einen geringeren Effekt. Solche Maßnahmen seien nur dann wirklich sinnvoll, wenn ein neues Virus auftauche, das sich geographisch noch nicht gleich - oder annähernd gleich - verteilt habe. Mit Blick auf die Corona-Lage weltweit sei das also hinfällig, so Brockmann weiter.
Man habe eine Situation, in der das Virus zwar nicht gleich verteilt sei, aber "es ist dennoch überall". Ein Effekt sei zwar da, aber zu vernachlässigen. Sein Fazit: Kontaktbeschränkungen reduzieren auch das Risiko einer Ausbreitung des Virus. Je stärker Personengruppen aufgesplittet würden, desto besser, so der Virologe.
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