Kino, Club, Kneipe? Geht es nach Justizministerin Lambrecht, sollte das für Geimpfte erlaubt sein. Unser Autor ist 16, begeistert ist er nicht. Denn geimpft wird er erstmal nicht.
"Alles klar, ich geh‘ dann los und hole Opa aus dem Club ab!" Irgendwie denke ich an diese Situation als erstes, wenn Justizministerin Lambrecht fordert, dass Geimpfte wieder ihre Grundrechte zurückerhalten sollen. Sie bläst dabei ins gleiche Horn wie am Wochenende Heiko Maas.
Also warte ich vor dem Gebäude, bis Opa sich aus der - ausschließlich über 80-jährigen - Seniorengruppe löst und mit mir nach Hause geht. "Und was hast du heute so gemacht, mein Kind?", fragt er dann und ich antworte durch meine FFP2-Maske trocken: "Ich hab‘ was mit Freunden gemacht... nichts Großes... wir waren zu viert daheim." Auf einmal wird Opa todernst. "Sag‘ mal, bist du wahnsinnig?! Du gefährdest unsere ganze Gesellschaft, du bist doch gar nicht geimpft!" So stelle ich mir das vor.
Keine Impfung für Unter-18-Jährige
Es heißt, Privilegien nach der Impfung würden die Impfbereitschaft durchaus erhöhen. Super! Aber geimpft bin ich nicht; nicht weil ich nicht will, sondern weil ich nicht darf.
Dass Clubs für meinen Opa wieder öffnen und er auch da hingeht, ist natürlich absurd. Aber ich finde den Gedankengang interessant: Wie ist das, wenn mein Opa plötzlich deutlich mehr darf, als ich?
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Außenminister Maas betont, man solle an Kinos, Theater und Gastronomen denken. Damit diese Bereiche endlich wieder Umsatz generieren und (geimpfte!) Menschen all das wieder genießen können, müsse es eben Sonderrechte geben. An sich völlig nachvollziehbar, das sind schließlich - neben anderen - die Leidtragenden in der Pandemie. Einzig für das Kino ist dieser Vorschlag wohl kein allzu großer Lichtblick, denn die Hauptzielgruppe der Lichtspielhäuser sind 14- bis 29-Jährige.
Vorschlag spaltet Gesellschaft
Wie auch immer, die Frage ist doch: Wie gerecht sind Privilegien für Geimpfte, wenn nicht jeder die Möglichkeit hat, sich impfen zu lassen? Dieses Vorhaben würde die Gesellschaft in zwei Gruppen aufteilen: geimpft und ungeimpft.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt: Alte und Pflegekräte zuerst. Da der Impfstoff auch für diese 8 Millionen Menschen zunächst knapp ist, fordern manche, innerhalb der Gruppe noch mal zu priorisieren.
Wenn der Geimpfte nach 20 Uhr draußen ist, zeigt er der Polizei seinen Impfpass und ihm wird noch ein schöner Abend gewünscht. Wenn der Ungeimpfte nach 20 Uhr draußen ist, wird ihm ein Bußgeld von 500 Euro ausgestellt (Beispiel Bayern) und er nach Hause geschickt. Hier sollte Christine Lambrecht als Justizministerin ein Alarmglöckchen hören. Laut Artikel drei, Absatz eins des Grundgesetzes sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich - ob geimpft oder nicht geimpft.
Generation Corona leidet besonders
Noch dramatischer wird es, wenn man bedenkt, dass einige von uns zunächst gar nicht die Möglichkeit haben werden, dieser Ungleichbehandlung zu entgehen. Einige müssen auf eine Impfung noch mindestens ein halbes Jahr warten. Oder noch länger.
Seelische Belastung, Depressionen, fehlender sozialer Kontakt und Bildungsschäden durch den Fernunterricht werden uns diagnostiziert. Einige meiner besten Freunde habe ich seit Oktober nicht mehr gesehen. Genauso lang ist es her, dass ich das letzte Mal auf dem Fußballplatz gestanden habe. Meine Motivation für fast alles schwindet immer mehr und Mathematik im Fernunterricht ist für mich doppelt so schwer als sonst. Insgesamt bin ich durch Corona deutlich unglücklicher.
[Wie groß die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Situation ist, lesen Sie hier.]
Kein Sport, keine Freunde, keine Kultur
Dass Kulturveranstaltungen seit letztem März beinahe gänzlich flach fallen, tut mir besonders weh, nicht nur weil ich gerne hingehe, sondern weil ich hin und wieder selbst als Poetry Slammer oder Schauspieler auftrete. Hier musste ich fast alle meine Vorhaben für 2020 streichen und so wird es wohl auch weiter gehen - schließlich gehöre ich zu den Letzten die geimpft werden, wenn überhaupt.
Ich möchte hier nicht um Mitleid betteln, uns allen geht es sicher besser als denjenigen, die zurzeit in einem Intensivbett liegen. Aber dennoch sollte man diese Probleme ernst nehmen. Verständnis dafür aus der Politik hört man selten.
Verständnis für Corona-Maßnahmen ist da - noch
Dennoch hat ein Großteil der Jungen Verständnis für die Maßnahmen und hält sie meistens ein. Aber was passiert, wenn man den Jugendlichen sagt, eure Großeltern dürfen wieder ein normales Leben führen und ihr bleibt bitte zu Hause? Wenn das der Fall ist, wird die Akzeptanz schwinden, da bin ich mir sicher. Und mehr noch, es führt zu Spaltung und zu Anfeindungen zwischen Jung und Alt.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde es absolut richtig, Kranke und Schwache zuerst zu impfen und nicht Junge, die durch das Virus nicht so stark bedroht werden. Das ist einfach solidarisch. Ich freue mich auch für jeden Menschen auf der Welt, der umfangreiche Grundrechte hat. Aber richtet man durch Privilegien für Geimpfte nicht einen zu großen Schaden an?