Jetzt geht es um die Details: Die EU ringt um den Wiederaufbaufonds. Italiens Ministerpräsident Conte besuchte heute Kanzlerin Merkel. "Die Wege sind noch weit", sagt sie.
Es geht um mehr als nur ums Geld beim Treffen von Bundeskanzlerin Merkel mit Italien Staatschef Conte. Ein persönliches Aufeinandertreffen, bei dem es um den Zusammenhalt der EU geht. Es ist die Zeit großer Diplomatie.
Lieblich und idyllisch ist die Kulisse im Schloss Meseberg. Angela Merkel und Giuseppe Conte werden im Garten unterm Sonnenschirm bei weißblauem Himmel platziert. Auf dem Gartentisch steht Wasser, kein Wein. Denn was hier verhandelt wird, ist weder lieblich noch idyllisch: Es geht ums Geld. Um sehr viel Geld. Und um das große Europa-Mikado: Wer kippt zuerst?
Conte und Merkel bereiten das Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Freitag in Brüssel vor. Dann sollen die Weichen für den Haushalt der nächsten sieben Jahre gestellt und ein Rettungsfonds für die Länder auf den Weg gebracht werden, die unter der Corona-Pandemie besonders gelitten haben. Wie Italien zum Beispiel, das 35.000 Tote zu beklagen hat und dessen Wirtschaftsleistung um gut zehn Prozent eingebrochen ist.
Merkel: "Kunst besteht darin, Brücken zu bauen"
Dass Südeuropa geholfen werden soll, ist unstrittig. Jetzt geht es um die Details. "Die Kunst besteht darin, Brücken zu bauen", sagt Merkel. Deswegen ist Conte an diesem Montag bei ihr, sind sein portugiesischer und sein spanischer Kollege gleichzeitig in Den Haag, bevor der spanische Premier Pedro Sánchez am Dienstag wiederum Merkel besucht. Und so weiter. Dazwischen vermutlich unzählige Telefonate und Treffen, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekommen soll.
Die Außenminister der EU haben sich in Brüssel getroffen, um über die Beziehungen zur Türkei und China zu reden. Mit den Ländern gibt eine ganze Reihe von Konfliktthemen.
Noch geht es um die gute Stimmung, die den Weg zum Kompromiss ebnen soll. Also betont Merkel in Meseberg die "große Freundschaft und Verbundenheit" mit Italien, das mit "großer Disziplin" die Krise bewältigt habe. Und Conte mag über die brennenden EU-Fahnen in Italien und die Wut auf Deutschland, die in der Eurobonds-Debatte gab, nicht mehr sprechen. "Das war eine Momentaufnahme."
Beide sprechen über die riesige Aufgabe. "Wir müssen schnell reagieren", sagt Conte. Ein funktionierender Binnenmarkt, sagt Merkel, sei auch im Interesse Deutschlands.
Noch sind die Lager starr
Das sind innenpolitische Appelle. Denn egal, was ab Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel herauskommt: Der Beschluss muss danach durch die nationalen Parlamente und muss einstimmig fallen. Doch davon kann momentan keine Rede sein:
Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatten vorgeschlagen, dass ein Rettungsfonds in Höhe von 750 Milliarden Euro aufgelegt werden soll. 500 Milliarden Euro sollen den Ländern als Zuschüsse zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bekommen, 250 Milliarden zusätzlich als Kredit.
- Vier Länder sind dagegen: Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark. Sie wollten die komplette Summe als Kredit auszahlen, denn sie sagen: Geld zu verschenken, können wir innenpolitisch nicht rechtfertigen. Mittlerweile pochen sie vor allem auf Reformzusagen der Länder. Also Bürokratieabbau, stärkerer Kampf gegen Steuerhinterziehung zum Beispiel. Auch dass die Auszahlung der Gelder stärker durch die EU kontrolliert werden soll, könnte ein Weg sein.
- Die Südländer, wie Italien, Spanien und Portugal, aber sind gegen Kredite, um die Schuldenlast ihrer Haushalte nicht zu erhöhen.
- Widerstand kommt auch aus Osteuropa, wo befürchtet wird, dass wegen des gigantischen Hilfsfonds künftiger weniger Geld aus den Regional- und Agrartöpfen der EU ausgeschüttet wird.
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Ein Mosaikstein: 36 Milliarden Euro für Italien
Ein Mosaikstein eines Kompromisses könnte sein: Italien nimmt vorher die gut 36 Milliarden aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) an. Geld, das sie sofort bekommen könnten, das aber an Bedingungen geknüpft ist. Italien lehnt das ab und befürchtet eine Einschränkung seiner Souveränität. Selbst wenn Conte wollte: Er regiert in einer Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung, die gegen die Annahme der ESM-Gelder ist.
Offiziell ist von den 36 Milliarden in Meseberg aber keine Rede. Vielleicht beim anschließenden Abendessen von Conte und Merkel. Doch selbst wenn die beiden beim gemütlicherenTeil zu einer Einigung kommen: Sie seien nur "zwei von 27", sagt Merkel. Auch die anderen 25 Staats- und Regierungschefs hätten ihre Vorstellungen. "Die Wege sind noch weit."