Es steht nicht gut um den Jemen: Das krisengebeutelte Land ist arm, hat ein kollabiertes Gesundheitssystem und fürchtet Covid-19. Ein Blick auf die humanitäre und politische Lage.
Es ist eines der ärmsten Länder der Welt, und ein Ende der Krisen ist nicht in Sicht. Seit mehr als fünf Jahren kämpfen im Jemen die Huthi-Rebellen gegen die international anerkannte Regierung.
Tatsächlich gibt es laut Mareike Transfeld, Politikwissenschaftlerin am Yemen Polling Center in Sanaa, politisch kaum etwas, das man den Huthis anbieten könne: "Sie sind im Jemen in der stärkeren Position, während gleichzeitig die Position der offiziellen Regierung immer schwächer wurde und die Parteien, die man diesem Lager zusprechen kann, sich zunehmend fragmentieren."
Weil die Lage so verfahren ist, setzen beide Konfliktparteien auf wirtschaftliche Mittel. "Es wurde eine Land-, See- und Luft-Blockade eingerichtet - in einem Land, das von Lebensmittel-Importen abhängig ist", sagt Transfeld. Die Leidtragenden: die Bevölkerung.
Im Video: Deutsche Waffenlieferungen für den Jemen-Konflikt
Seit Anfang 2019 hat die Bundesregierung Rüstungsexporte für über eine Milliarde Euro an die von Saudi-Arabien geführte Kriegsallianz im Bürgerkriegsland Jemen genehmigt.
Zwei Drittel der Menschen brauchen humanitäre und psychische Hilfe
Es ist die größte humanitäre Krise weltweit, erklärt die christliche Hilfsorganisation Medair. Seit 2017 ist die Organisation im Land, baut Gesundheitszentren auf, kümmert sich um die Trinkwasser-Versorgung sowie sanitäre Anlagen.
"Es gibt doppelt so viele Bedürftige wie in Syrien, und die Weltbevölkerung nimmt kaum Notiz. Man merkt, dass auf dem Jemen kein Fokus der Weltgemeinschaft liegt", sagt Steffen Horstmeier, Geschäftsführer Internationale Programme bei Medair. Es fehle an allem - und das bereits seit Jahren. Die Auswirkungen auf die Gesundheit der Jemeniten sei enorm. Die Hilfsorganisation fand heraus, dass zwei Drittel der Bevölkerung neben humanitärer auch psychosoziale Unterstützung benötigen.
Corona im Jemen: Schlechte Hygiene, kaum Abstand
Die Corona-Pandemie verschärft die prekäre Situation. "Wir werden eine Krise in der Krise erleben", ist sich Horstmeier sicher. Erste Corona-Fälle wurden bereits diagnostiziert. Bei einem weitreichenden Ausbruch werde es kaum Testkapazitäten geben. Geräte, um Menschen künstlich zu beatmen oder ansatzweise angemessen zu versorgen, fehlen sowieso.
Medair habe schon früh begonnen, mit den Menschen zu sprechen und über die Krankheit und ihre Gefahren aufzuklären. Vor allem die Hygienemaßnahmen sind Kern- und Knackpunkt zugleich: "Mehr als 17 Millionen Jemeniten haben keinen Zugang zu gutem Wasser, und diesen Menschen muss man dann erklären, wie sie sich effektiv die Hände waschen sollen - auch noch mit Seife. Das ist extrem schwierig." Distanzregeln sind kaum einzuhalten: Im Durchschnittshaushalt leben generationsübergreifend sieben Personen.
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Corona: Huthi-Rebellen spielen Gefahr herunter
Politisch wird Covid-19 heruntergespielt, denn wie ernst die Huthis das Virus nehmen, ist unklar. "Die Huthis möchten nicht, dass publik wird, wie viele Fälle es im Norden oder in Sanaa bereits gibt", weiß Politologin Transfeld. Einerseits wolle man damit zeigen, man sei besser aufgestellt als die andere Seite, andererseits wolle man so verhindern, dass sich die Weltgemeinschaft einmischt.
Man muss sich laut Transfeld auch von dem europäischen Gedanken, dass jeder einen Anspruch auf ein Intensivbett hat, verabschieden: "Ob und wie viele Intensivbetten es im Jemen gibt, weiß niemand, da müsste man in jedes Krankenhaus gehen und nachzählen."
Die Ärzte in Aden beispielsweise schicken Covid-19-Patienten nach Hause - egal in welchem Zustand. "Ich gehe davon aus, dass wir im Jemen einen dramatischen Anstieg der Todeszahlen sehen werden", so Transfeld. In Aden gibt es derzeit gut 90 Tote pro Tag. Covid-19 ist eine von vielen Ursachen. Aber diesen Anstieg an Todesfällen wird es auch in anderen Regionen des Jemen geben. Mareike Transfelds trauriges Fazit lautet daher:
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Jemen-Krieg: Jedes fünfte Kind in ständiger AngstEin Bericht von "Save the Children" offenbart: Nach fünf Jahren Krieg ist jedes zweite Kind im Jemen depressiv, Millionen sind unterernährt.