Dem Schutz des Lebens sei nicht alles unterzuordnen, so Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Ökonomische und soziale Auswirkungen von Coronavirus-Maßnahmen seien ebenso wichtig.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) macht sich Sorgen wegen der einschneidenden Corona-Schutzmaßnahmen. Er warnte davor, dem Schutz von Leben in der Corona-Krise alles unterzuordnen. Dies führe zu massiven Einschränkungen von Grundrechten und enormen staatlichen Hilfspaketen.
Schäuble sagte der Sonntagsausgabe des "Tagesspiegel": "Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig." Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gäbe, dann sei das die Würde des Menschen.
Der Staat müsse für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten.
Politik darf sich nicht allein auf Virologen verlassen
Schäuble warnte außerdem vor einem Kippen der Stimmung in der Bevölkerung. "Es wird schwieriger, je länger es dauert", betonte er. Dennoch sei noch viel zu lernen, so Schäuble. "Wir alle wissen nicht, was unser Handeln für Auswirkungen hat, aber die Politik muss trotzdem handeln", sagte Schäuble weiter.
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Der Weg zurück aus dem Lockdown sei die größere Herausforderung. "Man muss vorsichtig Schritt für Schritt vorgehen." Schäuble warnte davor, allein Virologen die Entscheidungen zu überlassen. Es müssten auch "die gewaltigen ökonomischen, sozialen, psychologischen und sonstigen Auswirkungen" abgewogen werden.
Schäuble: Wirtschaftshilfe könnte Staat überlasten
Es gebe im Moment ein verbreitetes Gefühl "wir könnten jedes Problem mit unbegrenzten staatlichen Mitteln lösen und die Wirtschaft kriegen wir hinterher wieder mit einem Konjunkturprogramm in Gang", sagte Schäuble der Zeitung.
"Der Staat kann aber nicht auf Dauer den Umsatz ersetzen", betonte er. Das gefährde die staatliche Handlungsfähigkeit, angesichts von Milliarden-Rettungsschirmen und 156 Milliarden Euro Neuverschuldung.
Corona-Pandemie ist nicht das einzige Problem
Schäuble forderte dazu auf, die Corona-Krise als Chance zu nutzen, um die gerade in den Hintergrund getretenen Krisen zu bekämpfen.
"Noch immer ist nicht nur die Pandemie das größte Problem, sondern der Klimawandel, der Verlust an Artenvielfalt, all die Schäden, die wir Menschen und vor allem wir Europäer durch Übermaß der Natur antun", sagte Schäuble. "Hoffentlich werden uns nicht wieder nur Abwrackprämien einfallen, die es der Industrie ermöglichen, weiter zu machen wie bisher."