Der Deutschen Städte- und Gemeindebund hält strengere Maßnahmen im Kampf gegen Corona für notwendig, sagt Präsident Ralph Spiegler. Er fordert aber auch einheitliche Maßnahmen.
ZDFheute: Herr Spiegler, die Kanzlerin wirbt bei den Ministerpräsidenten im Hintergrund bereits für neue Maßnahmen: Restaurants und Kneipen könnten demnach geschlossen, Veranstaltungen verboten werden. Was hält der Deutschen Städte- und Gemeindebund davon?
Ralph Spiegler: Die Kanzlerin hat gemeinsam mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten bislang einen guten Job gemacht. Insbesondere in den ersten sechs Wochen ist es gelungen, wirklich sehr einheitliche Regelungen für ganz Deutschland zu finden. Das ist dann leider etwas ausgefranst. Es ist an der Zeit, dass wir über das, was gesellschaftlich wichtig ist, wieder gemeinsame, einheitliche Regeln finden. Insofern ist das ein richtiger Ansatz.
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ZDFheute: Und die konkreten Maßnahmen, die jetzt im Raum stehen. Halten Sie die für notwendig?
Spiegler: Ich befürchte, sie werden notwendig sein, weil die Zahlen wirklich sehr erschreckend sind. Die Kanzlerin und auch die Ministerpräsidenten reden davon, dass die Lage sehr ernst sei. Und das kann man nur unterstreichen. Das ist sicher regional unterschiedlich. Man wird auch Öffnungsmöglichkeiten regionaler Art vorgeben müssen. Aber im Grunde genommen ist es höchste Zeit, dass wieder gemeinschaftlich und flächendeckend gehandelt wird.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten beraten am Mittwoch über weitere Corona-Maßnahmen. "Die Diskussion sollte zurück in die Parlamente, wo die Parlamentarier entscheiden", so der FDP-Politiker und Infektiologe Andrew Ullmann.
ZDFheute: Halten Sie denn den derzeitigen "Regel-Flickenteppich" für angemessen?
Spiegler: Ich persönlich, nein. Das ist auch eine Frage, wie stark man durchgreifen kann. Ich habe hier in meiner Verbandsgemeinde acht Ortsgemeinden.
Es ist auch eine Frage der Disziplin.
ZDFheute: Was für Stimmen hören Sie aus den Städten und Gemeinden?
Spiegler: Ich höre, dass die Gesundheitsämter an ihre Grenzen stoßen. Dass die Nachverfolgung durch die Ordnungsämter schwierig sei. Das kann ich nur unterstreichen. Und ich höre vor allen Dingen, dass ein - wenn auch sehr geringer Teil der Bevölkerung - unaufmerksam ist oder die Regeln nicht beachtet. Das ist zwar nur ein kleiner Teil, aber der kostet uns so viel Arbeit, so viel Verwaltungskraft. Es ist nicht einzusehen, dass einige wenige die gesamte Bevölkerung gefährden.
Viele Gesundheitsämter arbeiten bereits jetzt am Limit: Überstunden, Wochenendschichten und Urlaubssperre, und keiner weiß, wie lange noch.
ZDFheute: Und was für Stimmen hören Sie konkret in Bezug auf den "Regel-Flickenteppich"?
Spiegler: Wir sind als Deutscher Städte- und Gemeindebund bemüht, weitestgehend Einheitlichkeit herzustellen. Ich habe Verständnis dafür, wenn mal ein Kollege sagt: 'In meiner Gemeinde passiert im Moment überhaupt nichts. Da ist alles ruhig, lasst uns doch feiern.' Aber das kann nicht die Lösung sein.
Denn da, wo ein Kreis, eine Gebietskörperschaft, heute noch gelb ist, kann sie morgen schon rot sein.
ZDFheute: Vertrauen denn die Städte und Gemeinden in Corona-Fragen der Bundeskanzlerin? Und wenn nicht, wem sonst?
Spiegler: Ich habe schon den Eindruck, dass die Kanzlerin, die im Grunde fast keine Zuständigkeit in diesen Fragen hat - das ist ja eine Frage der Länder - einen sehr guten Job macht. Ich glaube auch, dass die Ministerpräsidenten im Wesentlichen einen guten Job machen.
Die Zeit muss vorbei sein.
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Wir brauchen in der Tat längere Gültigkeit von unseren Verordnungen. Jetzt müssen wir wieder eine höhere Messlatte anlegen, die auch Gültigkeit hat für drei, vier Wochen. Dann müssen wir schauen: Wo stehen wir? Hat es gefruchtet? Können wir in kleinen Teilen wieder nachlassen?
ZDFheute: Welche Erwartungen haben Sie denn für das Treffen von Merkel und den Ministerpräsidenten am Mittwoch?
Spiegler: Ich habe die Erwartung, dass Klarheit und damit eine weitestgehend einheitliche Linie hergestellt wird. Ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir das, was die Kanzlerin scheinbar als "Lockdown light" bezeichnet, ins Auge fassen und auch umsetzen. So schwer es fallen mag.
Das Interview führte Maike Verlaat aus dem ZDF-Landesstudio Rheinland-Pfalz.
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von Dominik Rzepka, Berlin