Der Christopher Street Day in Berlin fällt wegen Corona dieses Jahr kleiner aus. Online-Streams und eine Demonstration mit Abstand sollen die Party ersetzen. Etwas zumindest.
Eigentlich wäre Claudia Roth jetzt viel lieber auf einer großen Parade. Von einem CSD-Wagen herab würde sie wie jedes Jahr diesem einen schwulen Pärchen an dieser einen immergleichen Stelle zuwinken, sagt sie. Irgendjemand würde ihr eine Rose zuwerfen. Und wahrscheinlich würde "Stupid love" von Lady Gaga aus den Boxen dröhnen.
Doch die Paraden zum Christopher Street Day müssen in diesem Jahr weitgehend ausfallen und online stattfinden. Als Stream. Also sitzt die Bundestagsvizepräsidentin in diesem Jahr an einem Holztisch und trinkt Kaffee aus hellblauen Meißner Porzellantassen.
"Die Zeit von Distanz macht mir zu schaffen", sagt sie in einem zuvor aufgezeichneten Interview. Das besondere Erlebnis, die Begegnungen auf einem CSD - das gehöre doch eigentlich dazu.
Protest gegen Homophobie in Brasilien und Polen
Dabei bräuchte es gerade in diesem Jahr die Christopher Street Days ganz dringend: "Wir erleben weltweit, dass wir uns auseinandersetzen müssen mit Antidemokraten und Rechtsstaatsfeinden und da gehört immer Homophobie dazu", sagt sie "Pride Live".
Roth nennt den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und kritisiert Polen, wo Präsident Andrzej Duda kurz vor der morgigen Wahl Schwulen und Lesben absprach, Menschen zu sein.
Gleiche Rechte für Homosexuelle sind in Polen in noch weitere Ferne gerückt. Die Regierungspartei PiS fährt einen homophoben Kurs.
Gerade gegen die zunehmende Homophobie in Polen haben am Samstag etwa 3.500 Menschen demonstriert. Am Mittag waren sie vom Berliner Nollendorfplatz zum Alexanderplatz marschiert. Laut Berliner Polizei hielten sich die Teilnehmer des alternativen CSD überwiegend an Abstandsregeln, die meisten trugen einen Mundschutz. Auf einem der Plakate war zu lesen:
Polnische Gemeinden hatten zuletzt verkündet, bei ihnen seien Lesben, Schwule, Bi-, Trans-, Intersexuelle und queere Menschen nicht willkommen.
Was aus den anderen CSDs in Deutschland wird
Auch in anderen Städten sind inzwischen alternative CSDs geplant. In Essen und Düsseldorf sollen an diesem Sonntag Fahrrad-CSDs stattfinden. Das plant auch Hamburg für den 1. August. Der CSD in Köln ist auf den 11. Oktober verschoben, die Veranstalter kündigen eine andere Form der Demonstration an.
Auch Online-CSDs wird es geben. Der weltweite Stream "Global Pride" erwartet an diesem Samstag unter anderem den Präsidenten von Costa Rica, wo im Mai die Ehe für alle eingeführt wurde.
"Pride Live" sendet an diesem Samstag aus Berlin, Hamburg, Bremen, Stuttgart und Frankfurt am Main. Nach Claudia Roth liest Drag Queen Nina Queer aus ihrem Buch. DJs wie "Hollywood Tramp" legen auf. Und die Band MIA wird spielen.
In Polen tobt ein Kulturkampf. Ein Drittel des Landes hat sich als LGBT-freie Zone erklärt. Nun möchten Homosexuelle mit Tafeln Debatten auslösen.