Die CSU-Landesgruppe trifft sich zu ihrer ersten Nach-Wahl-Klausur. Diesmal müssen die Christsozialen ihre Rolle noch suchen - was auch an der CDU liegt.
Der Jahresauftakt der CSU im Bundestag scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Die traditionelle Klausur im Kloster Seeon, oft vor malerisch verschneiter Kulisse, musste in diesem Jahr erstmal verschoben werden. Corona-Infektionen hatten auch die CSU ereilt, nicht zuletzt den Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt.
Damit geriet die ansonsten fein austarierte Abfolge von Klausuren der Parteien aus dem Tritt und die CSU musste sich - ganz ungewohnt - hinten anstellen. Nun trifft man sich, wie schon im letzten Jahr, in Berlin.
CSU muss ihre Rolle in der Opposition noch finden
Doch die neue Rolle macht es der CSU-Landesgruppe schwer. Man ist jetzt Opposition. Und in der Opposition auch noch der kleinere Teil der Union. Vorbei - aus der Rolle einer Regierungspartei - die eigenen Truppen zu piesacken und anzustacheln.
Abzulesen ist die geschwundene Bedeutung auch an den Gästen der Klausur. Gaben sich früher noch Ministerpräsidentinnen oder Parteichefs von Regierungsparteien in Europa bei der CSU die Klinke in die Hand, kommt heute der Oppositionsführer aus Spanien, Pablo Casado.
Brinkhaus wird Dobrindt bald fehlen
Auch die gerade erst abgeschlossene Neuaufstellung der CDU hat die kleine Schwester gehandicapt. Nach der Bundestagswahl hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den relativen Zuwachs an Stimmen in der Bundestagsfraktion noch genutzt, um Ralph Brinkhaus an die Spitze der Fraktion durchzudrücken. Gegen den erklärten Willen des damaligen CDU-Chefs Armin Laschet.
Mit Brinkhaus kam Dobrindt gut zurecht, eine gemeinsame, eingeübte Arbeitsebene verband die beiden. Doch die Neuwahl der Parteispitze der CDU, der Durchmarsch von Friedrich Merz bis an die Fraktionsspitze, ist kein gutes Omen für die CSUler.
CSU muss jetzt auf die andere Seite des Unionsspektrums
"Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Friedrich Merz", verkündete Dobrindt letzte Woche und jeder, der ihn besser kennt, weiß, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Mit dem konservativen Wirtschaftsliberalen Merz besetzt jetzt die CDU eine Position im Gefüge der Union, die zuletzt die CSU ganz gerne ausfüllte.
Jetzt muss man sich neu orientieren. Traditionell auf die gegenüberliegende Seite des Unionsspektrums - der sozialen Seite. Das ist den Christsozialen aus Bayern nicht fremd - schließlich steht sozial schon im Parteinamen.
Söder kämpft mit Umfragewerten
Und dann ist da noch der eigene Parteivorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Der rudert derzeit kräftig, um die im freien Fall befindlichen Beliebtheitswerte zu stabilisieren. Schließlich ist im Herbst 2023 Wahl in Bayern. Auch der CSU im Bundestag kann es nicht egal sein, wie die eigene Partei in der Heimat abschneidet.
Und so grummelt es in der CSU derzeit zwar ordentlich angesichts der ein oder anderen Söderschen Eskapade, aber offene Kritik verkneift man sich auch im Berliner Ableger der CSU.
Kommt der eigene Gesetzentwurf zur Impfpflicht?
So hat die neueste Corona-Öffnungsdebatte, die Markus Söder gerade mit angestoßen hatte, für Verwirrung gesorgt. Schließlich war man als CSU jetzt gut zwei Jahre im "Team Vorsicht" - der Wechsel ins "Team Öffnung" ist nicht jedem einsichtig. Im "Team Aufbruch22", wie man sich selbst nennt, versucht die CSU sich aber selbst gerade in der Impfpflichtdebatte zu sortieren.
Letzte Woche noch hatte man in der Orientierungsdebatte des Bundestages zwar den Kanzler und die Regierung scharf attackiert, aber zum Sachverhalt Impfpflicht nur wenig beigetragen. Jetzt, so kündigte es Alexander Dobrindt an, wolle man einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen - gestaffelt nach Gefährdung und Altersgruppen.
Im Ukraine-Konflikt irritiert Söder
Und auch in der Debatte zur Ukraine gibt man kein sehr einheitliches Bild ab. Markus Söder hatte sich in einem FAZ-Interview eher auf der Seite von Russlands Präsident Wladimir Putin verortet als im westlichen Bündnis. Das verstörte doch manchen Parteifreund.
Waffen-Lieferungen an die Ukraine schloss Söder kategorisch aus. Russland sei kein Gegner, so der CSU-Parteichef und relativiert Russlands Aggression damit. "Wir werden die Welt nicht allein dadurch verändern, dass wir den anderen stets erklären, wie sie sich zu verhalten haben", sagte er der FAZ.
Dobrindt attackiert Altkanzler Schröder
Insbesondere der neue CDU-Chef und erklärte Transatlantiker Friedrich Merz registrierte die Södersche Haltung sehr genau. Kommentiert hat er sie nicht - noch nicht. Landesgruppen-Chef Dobrindt versucht es mit einer Gegenattacke auf den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Dessen Haltung zu Putin und Russland sei inzwischen eine "Realitätsverweigerung", so Dobrindt. Ob er dabei auch an den eigenen Parteichef gedacht hat, ist nicht bekannt.
Mathis Feldhoff ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.