Die Corona-Krise hat die CSU inhaltlich ausgezehrt. Markus Söder, den viele in der Union für kanzlertauglich hielten, verliert zunehmend an Rückhalt.
"Es ist wie ein Loch im Bauch." So beschreibt Jürgen Fraas das Gefühl, auf die Kritik der Bürger an der CSU-Politik keine Antwort mehr zu haben. "Natürlich lügt man nicht und man will auch keine leeren Worte von sich geben", so Fraas.
21 Jahre lang war der Unternehmer CSU-Mitglied Nr. 10017395, fünf davon Ortsvorsitzender im oberfränkischen Wunsiedel. Am Neujahrstag trat er aus der Partei aus.
Corona und der Bundestagswahlkampf
Die Gründe? "Vielfältig", sagt Fraas. Am meisten stört ihn das Hin und Her in der Corona-Politik. Erst würden Maßnahmen verschärft, dann - während des Bundestagswahlkampfs - werde Corona völlig ausgeblendet.
Er spürt eine zunehmende Unnahbarkeit an der CSU-Spitze. "Unser Slogan 'Näher am Menschen' ist einfach nicht mehr erkennbar."
Immer mehr Kritik und Austritte
Dass dies keine Einzelmeinung ist, zeigen nicht nur die vielen positiven Rückmeldungen, die Fraas nach seinem Parteiaustritt bekam ("Mutig!", "Konsequent!", "Bin aus demselben Grund ausgetreten"). Auch ein paar politische Ebenen höher, im Bayerischen Landtag, ist die Unruhe zu spüren.
Wie so oft, wollen die, die scharfe Kritik üben, ihren Namen nicht in einem Artikel lesen. Sie hadern mit Söder:
Mit "Er" ist CSU-Chef Markus Söder gemeint, mit "das" die bayerischen Landtagswahlen im nächsten Jahr. Aber: "Söder fehlt das Thema, mit dem er die gewinnen will", sagt ein anderes CSU-Landtagsmitglied.
Tage später eine SMS: "Habe heute Morgen wieder Parteiaustritte gehabt. Man ist rat- und sprachlos."
Erst bejubelt, jetzt enttäuschend
In der CSU hadern viele mit ihrem Parteichef. Söder, einer der wenigen verbliebenen Kampfsportler der deutschen Politik, galt als Mann der Zukunft. Umjubelt gerade von jungen Mandatsträgern, die es gar nicht erwarten konnten, dass der behäbig wirkende Horst Seehofer in den Jahren 2018/19 entnervt das Feld räumte.
Gerade die Jungen aber hat Söder enttäuscht. Drei Wahlen hat die CSU mit ihm verloren, nur bei einer - der Europawahl - gab es einen hauchdünnen Zugewinn.
Sichtbar wurde diese Enttäuschung vor allem nach der verlorenen Bundestagswahl. Bei einem Treffen der Jungen Union musste sich der Parteichef viel Kritik anhören: Der Umgang mit Armin Laschet nach der verlorenen Kanzlerkandidatur oder die Fixierung der CSU auf eine - seine - Person.
Ein bemerkenswerter Vorwurf, denn: Es war die JU, die Söder gerade wegen seines Politikstils zu ihrem Helden erkoren hatte.
Söder, der Macher - noch immer?
Nach aktuellen Umfragen ist die CSU nicht nur weit von einer absoluten Mehrheit in Bayern entfernt, sie könnte selbst mit den Freien Wählen nicht regieren. "Ausbaufähig" nennt das die Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig und man sieht ihr an, dass sie gerne noch mehr sagen würde.
Nach einem Treffen mit CSU-Ortsvorsitzenden sei klar, dass Entscheidungen nicht einfach so rausgegeben werden dürften. "Sie müssen erklärt werden", so Eiling-Hütig. Zu Beginn der Corona-Krise galt Söder als der "Macher", als ein Politiker, der die richtigen Entscheidungen konsequent durchsetzt. Dass viele in der Union ihn für den richtigen Kanzlerkandidaten hielten, verdankt er diesem Image.
Corona-Management fällt Söder auf die Füße
Heute hat sich das geändert. Zum einen, weil Bayern eben nicht stets das Musterland in der Corona-Bekämpfung war, zum anderen, weil der CSU-Chef über seine Art des Regierens große Teile seiner Parteibasis verloren hat.
In den letzten Wochen nun, versucht Söder umzusteuern. Bei den Corona-Maßnahmen wolle man jetzt nicht vorpreschen, sagt er. "Vorsicht ja, aber keine Hysterie." Die Skepsis bleibt:
Ein Hinweis, direkt an die Parteizentrale in München.