Die Bundesregierung will dem globalen DAAD-Forschungsnetzwerk Fördergeld streichen. Obwohl im Ampel-Koalitionsvertrag das Gegenteil versprochen war. Forscher reagieren entsetzt.
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ist weltweit eine Institution bei der Förderung von Forschung und Wissenschaft und ein Aushängeschild für Deutschland. Mehr als 350 Hochschulen und Universitäten organisieren über ihn internationale Kooperationen, fast 135.000 Forschende weltweit wurden allein 2021 finanziell unterstützt.
Doch jetzt läuft die Organisation Sturm gegen Pläne der Bundesregierung: Finanzmittel sollen empfindlich gekürzt werden. 2021 erhielt der DAAD 204 Millionen Euro Grundfinanzierung vom Auswärtigen Amt. Laut einem Kabinettsbeschluss soll dieser Betrag in diesem Jahr auf 195 Millionen und 2023 auf 191 Millionen Euro sinken.
Das ist zwar nur ein Teil des DAAD-Gesamtbudgets von 634,7 Millionen Euro - aus dem betroffenen Topf werden jedoch insbesondere die Stipendienprogramme finanziert. Geld aus anderen Quellen einfach umzuschichten, ist bei öffentlicher Finanzierung häufig nicht einfach möglich.
Sorge um den Forschungsstandort Deutschland
Die Kürzungen senkten die internationale Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland und seiner Hochschulen, so DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee in einer Pressemitteilung am Freitag. "Und das in einer Zeit, in der (...) eine Vorbildfunktion und eine Führungsrolle Deutschlands in besonderer Weise notwendig wären."
Eine unmittelbare Folge: "Die Vergabe von langfristigen Studien- und Promotionsstipendien für ausländische Studierende, Promovierende und Forschende muss um 50 Prozent reduziert werden, damit fallen rund 700 Langzeitstipendien pro Jahr weg", beklagt der DAAD. Insgesamt seien rund 6.000 Stipendien bedroht.
Auch Förderung für Vortrags- und Kongressreisen für rund 5.000 Personen pro Jahr müsste gestrichen werden. "Mittelfristig fallen rund 100 der weltweit knapp 450 Standorte weg, an denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das deutsche Hochschulsystem vertreten." Zeitgleich sind auch andere Organisationen wie das Goethe-Institut und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung von Kürzungen betroffen.
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Ampel bricht Versprechen aus Koalitionsvertrag
Die geplanten Budgetkürzungen sind jedoch noch nicht ausgemachte Sache. Nach dem Kabinettsbeschluss vom 1. Juli geht der Entwurf für den Bundeshaushalt 2023 nun an Bundestag und Bundestag. Im Parlament soll ab Ende November abgestimmt werden.
Die Kürzungen sind eine direkte Konsequenz aus den multiplen Krisen von Corona bis Ukraine. "Der Bundeshaushalt 2023 sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 445,2 Milliarden Euro vor - gut 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Er steht im Zeichen der Unwägbarkeiten von Coronapandemie und Ukraine-Krieg, deren weiterer Verlauf nach wie vor ungewiss ist", schreibt die Bundesregierung.
Damit bricht die Bundesregierung jedoch ein explizites Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag vom November 2021. Dort hieß es unter dem Punkt "Internationale Hochschulkooperation":
Das Bundeskabinett will heute den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2023 auf den Weg bringen. Die in der Corona-Pandemie ausgesetzte Schuldenbremse soll reaktiviert werden.
Forschende entsetzt über Ankündigung
Unter Forschenden wurde die Ankündigung mit großer Bitterkeit aufgenommen. Zahlreiche Wissenschaftler kritisieren die Entscheidung und betonen, wie wichtig eine DAAD-Unterstützung für sie ist und war. Der DAAD sei für Deutschland eine vergleichsweise günstige Lösung, um Anschluss an weltweite Forschungskooperationen zu finden, ist ein immer wieder genanntes Argument.
"Ohne den DAAD wären viele meiner Auslandsaufenthalte unmöglich gewesen. (...) Die Entscheidung des Auswärtigen Amts wird die Karrierechancen vieler Nachwuchswissenschaftler:innen spürbar beeinträchtigen", schreibt Marcella Woud, Junior-Professorin für Klinische Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum, auf Twitter.
"Macht das bitte rückgängig", so der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität in München.
- Bund: Weniger Neuverschuldung 2023
2023 soll die Neuverschuldung des Bundes sinken. Damit würden die Vorgaben der Schuldenbremse wieder knapp eingehalten werden, heißt es aus Regierungskreisen.