Seit über einem Jahr protestieren Aktivisten im Dannenröder Forst gegen den A49-Ausbau. Nicht alle distanzieren sich von Gewalt, immer wieder gibt es Verletzte - auf beiden Seiten.
Sie haben Baumhäuser und Plattformen hoch in den Wipfeln gebaut, es sind Konstruktionen aus Seilen und Holz, die die Polizei seit knapp einem Monat räumt. Waldarbeiter roden derweil mit Baggern und Harvestern die Schneise für die geplante Autobahn, beschützt von der Polizei. Noch im Dezember sollen die Arbeiten beendet sein.
Hier im Dannenröder Forst in Hessen besetzen seit einem Jahr Aktivist*innen den Wald. Sie beschützen die Bäume, sagt eine Sprecherin von Fridays for Future. Seit die Rodungsarbeiten laufen, spitzt sich die Lage zu, es kommt auch immer wieder zu Gewalt und Verletzungen auf beiden Seiten.
Fäkalienwürfe auf die Polizei, Pyrotechnik in einem Erdloch
Die Polizei berichtet von Kotwürfen auf Beamte, von ausgelegten Nagelbrettern, gespannten Drahtseilen und einem Erdloch, in dem Zwillen, Stahlkugeln und Pyrotechnik gefunden wurde. "Sie nehmen dabei die Verletzung von Einsatzkräften billigend in Kauf", schreibt die Polizei Mittelhessen gegenüber ZDFheute. Bei einer Blockade-Aktion auf der A3 kam es im Oktober zudem zu einem Auffahrunfall mit einem Schwerverletzten.
Der hessische Verfassungsschutz rechnet damit, dass auch in Zukunft im Dannenröder Forst "gewaltorientierte Personen auch aus dem linksextremistischen Spektrum versuchen werden, (...) den Verlauf der Proteste weiter in eine unfriedliche Richtung zu lenken und weitere Straf- und Gewalttaten zu begehen."
Aktivistin stürzte - Polizist hatte Seil durchtrennt
Auf der anderen Seite sind da die Aktivist*innen rund um das Bündnis "Wald statt Asphalt". Für den Erhalt des "Dannis" trommelt die deutsche Klimaschutz- und Globalisierungskritiker-Szene, darunter Fridays for Future, Extinction Rebellion, Ende Gelände und Attac.
Immer wieder berichten sie von Übergriffen durch die Polizei. Ronja Weil von Ende Gelände sagte ZDFheute:
Die Polizei bestätigte einen Vorfall Ende November: Ein Polizist habe ein Seil durchtrennt, nicht wissend, dass es mit dem Gestell einer Aktivistin verbunden war. Gegen ihn wird der Staatsanwaltschaft Gießen zufolge wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt ermittelt. Es gebe aber keine Hinweise auf ein vorsätzliches Handeln.
Fridays for Future distanziert sich von Gewalt
Von jeglicher Gewalt distanziert sich Line Niedeggen, Sprecherin bei Fridays for Future: "Gewalt gegen Menschen ist immer zu verurteilen." Ronja Weil von Ende Gelände dazu: "Alle Aktivist*innen in dem Wald sind daran interessiert, dass dieser Protest ein friedliches Ende nimmt." Indes: Der Bundesverfassungsschutz stuft die Gruppe Ende Gelände als "linksextremistisch beeinflusst" ein.
Angeheizt wird der Protest im Netz. Auf Indymedia, einer Plattform der linksextremen Szene, wird dazu aufgerufen, eine "Bullenkarre" anzuzünden und der Polizei zu zeigen "was Krawalltourismus wirklich bedeutet". Hier finden sich auch Bekennerschreiben, etwa zu einem Brandanschlag auf einen Bagger. Alle Einträge sind anonym verfasst.
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Forscher: Protest muss sich stärker von Gewalt abgrenzen
Wie anschlussfähig ist die Klimaschutzbewegung für linksextremistische Kräfte?
Die Aktivisten müssten sich noch stärker von Gewalt abgrenzen, sonst bestehe die Gefahr, dass über Ausschreitungen, nicht aber über Inhalte gesprochen werde, so der Wissenschaftler, der an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Brühl lehrt. "Fridays for Future distanziert sich glaubwürdig von Gewalt. Ende Gelände lässt es hier teilweise an der nötigen Klarheit fehlen."
Kälte könnte Proteste "einschlafen" lassen
Diese Woche mobilisierten die Aktivist*innen in Chats und organisierten Busse in den "Danni". Am Freitag trat der bekannte Pianist Igor Levit auf. Von der insgesamt drei Kilometer langen Rodungsstrecke sind nur noch 100 Meter zu räumen. Die Polizei glaubt aber nicht, dass Ausbau-Gegner*innen den Wald schnell verlassen werden. Könnte sich der Protest dann noch vergrößern? Pfahl-Traughber ist skeptisch:
Die Entscheidung für den Ausbau der Autobahn sei außerdem gefallen. "Ich kann mir derzeit deshalb nicht vorstellen, dass es im Dannenröder Forst noch zu einer breiteren Massenbewegung kommt."
Vielen Aktivist*innen geht es beim Protest längst nicht mehr nur um den "Danni". Der Wald ist für sie das Symbol einer verfehlten Klima- und Umwelt-Politik, alten Verkehrs-Konzepten und von Grünen, die das mehr oder weniger schulterzuckend hinnehmen.