Der Journalist Deniz Yücel saß ein Jahr in türkischer U-Haft. Der Europäische Menschenrechtsgerichthof verurteilte diese jetzt. Im ZDF kritisiert Yücel dennoch das Urteil.
Laut Gerichtsurteil war Deniz Yücels Inhaftierung in der Türkei menschenrechtswidrig. Im Gespräch mit Nazan Gökdemir spricht Yücel über enttäuschte Forderungen.
Vier Jahre nach seiner Entlassung aus türkischer Haft hat der Journalist Deniz Yücel mit seiner Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilweise Recht bekommen. Nach dem am Dienstag in Straßburg veröffentlichten Urteil war die Untersuchungshaft unangemessen. Im ZDF heute journal update spricht Yücel jetzt über die Zeit im Gefängnis und über das Staßburger Urteil.
Sehen Sie das ganze Interview oben im Video oder lesen Sie hier wichtige Auszüge:
Das sagt Deniz Yücel ...
... zum Straßburger Urteil:
"Das Urteil bestätigt das, was ich immer gesagt habe: Dass meine Verhaftung rechtswidrig ist, dass ich nur wegen meiner journalistischen Arbeit verhaftet wurde. Insofern ist dieses Urteil eine Erleichterung. Im Großen und Ganzen ist es ein richtiges Urteil.
Es wundert mich, dass die Straßburger Richter nicht feststellen wollten, dass es sich um ein politisch motiviertes Verfahren handelte. Wenn das kein politisch motiviertes Verfahren war, wie stellen sie sich sonst ein politisch motiviertes Verfahren vor? Das ist auch der Grund, weshalb wir an diesem Punk Einspruch erheben werden."
Der Vorwurf, einer Terrorgruppe anzugehören, willkürliche Festnahmen und Haft: All dies erleben deutsche Staatsbürger in der Türkei immer wieder. Was bedeutet das für das Leben der Betroffenen?
... zur Ablehnung seiner Begründung "politisch motiviertes Verfahren":
"Es scheint mir ein Erfolg der türkischen Lobby-Bemühungen in Straßburg gewesen zu sein. Unter den gegebenen Umständen wäre für die Türkei heute kein besseres Urteil drin gewesen."
... zur Entschädigungszahlung der Türkei:
"Wenn Ihnen ein Jahr Ihres Lebens geraubt würde, finden Sie 12.300 Euro angemessen? Ich kann nur mit Gewissheit sagen, dass 1.000 Euro Anwalts- und Verfahrenskosten, die mir das Gericht außerdem zugebilligt hat, das ist echt ein Witz. Ich bin auch sehr gespannt, ob die Türkei das überhaupt bezahlen wird."
... zur Stärkung für Meinungsfreiheit in der Türkei durch das Urteil:
"Wenn die Türkei halbwegs ein Rechtsstaat wäre dann wäre dem so. Dann hätte aber auch schon das Urteil des türkischen Verfassungsgerichts positive Auswirkungen gehabt. Ich wurde ja trotz des Urteils des türkischen Verfassungsgerichts zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Aus dem ursprünglich einen Strafverfahren sind inzwischen drei Strafverfahren geworden. Dieses Urteil hätte positive Auswirkungen, wenn in der Türkei auch nur halbwegs rechtsstaatliche Zustände herrschen würden, aber das ist leider nicht der Fall."
- Freispruch für Journalistin Mesale Tolu
Über viereinhalb Jahren verhandelte ein türkisches Gericht den Fall Mesale Tolu. Nun ist die Journalistin aus Ulm, die seit 2018 wieder in Deutschland lebt, freigesprochen worden.