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Ex-Soldat im Krieg : Warum ein Deutscher in der Ukraine kämpft

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Mehmet ist ehemaliger Bundeswehrsoldat und hat sich im Krieg als Freiwilliger der ukrainischen Armee angeschlossen. Er kämpft nun gegen Russland - und seine eigenen Traumata.

Als ich mit Mehmet per Video-Anruf spreche, geht im Hintergrund eine Bombe hoch. Mehmet hält kurz inne, wartet. Dann spricht er weiter mit mir, in seine Handykamera, als wäre nichts gewesen. "Da bin ich wieder, sorry!", sagt er.

Mehmet ist Deutscher, der zum Kämpfen an den Ort gefahren ist, von dem derzeit Hunderttausende fliehen. Seit vier Wochen ist er in der Ukraine, in der Nähe von Kiew, den genauen Standort darf er aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Auch möchte er hier nur mit seinem Vornamen genannt werden.

Mehmet ist vor dem Krieg noch nie in der Ukraine gewesen, hat auch keine Familie, die von dort stammt. Warum fährt er also ins Kriegsgebiet?

Hier werden Zivilisten umgebracht, hier werden Zivilisten getötet, ganz kaltblütig mit Bomben.
Mehmet, deutscher Kämpfer in der ukrainischen internationalen Legion

Mehmet sagt, es sei nicht nur ein Konflikt zwischen zwei Staaten, sondern ein "Welt-Konflikt".

Meine Motivation war es einfach, den Kindern hier zu helfen, die aus ihren Häusern fliehen müssen, den Familien, die hinter ihren Kindern her weinen. Die Kinder, die hinter ihren Familien her weinen.
Mehmet, Deutscher im Ukraine-Krieg

Teil der "Internationalen Legion" in der Ukraine

Seit vier Wochen ist Mehmet Teil der "Internationalen Legion". Dort kämpfen Ausländer, die der Ukraine helfen wollen. Rund 20.000 Freiwillige, vor allem aus Europa, haben sich laut ukrainischen Angaben gemeldet - überprüfen lässt sich das nicht. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Ausländer mit Kampferfahrung dazu aufgerufen, sich den Kämpfen anzuschließen.

Prinzipiell ist die Kriegsteilnahme von Deutschen nicht illegal, wie das Innen-, Justiz- und das Außenministerium mitteilen. Bei Ex-Soldaten sei eine Einzelfallprüfung nötig, schreibt das Verteidigungsministerium.

Mehmet hat sich kurz nach dem russischen Einmarsch in den Zug gesetzt und ist über Warschau in die Ukraine eingereist, sagt er. Im Zug habe er jemanden mit einem Kontakt in die Ukraine kennengelernt. So sei er zu seiner Einheit gekommen, die aus 25 Freiwilligen besteht, darunter Dänen, Amerikaner, Schweden, Spanier, Franzosen, auch zwei weitere Deutsche.

Mehmets Angaben lassen sich nur schwer überprüfen. Er schickt Fotos und Videos, wir schreiben und telefonieren. Seine Angaben scheinen plausibel. Ob sie stimmen, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen.

Mehmet hat Menschen getötet - wie viele, will er nicht wissen

Im Ukraine-Krieg war Mehmet nach eigenen Aussagen etwa fünfzehn Mal an der Front im Einsatz.

Wie vielen Menschen ich das Leben genommen habe, weiß ich im Grunde genommen nicht. Ich weiß, ich habe es getan. Aber wie viele, möchte ich im Grunde genommen auch gar nicht erfahren.
Mehmet, Freiwilliger im Ukraine-Krieg

Mehmets Einheit hat auch russische Kriegsgefangene festgenommen. Viele von ihnen seien unerfahren, glaubt er. Sie wirkten, als hätten sie "vielleicht eine Woche zuvor das erste Mal eine Waffe in die Hand genommen", sagt Mehmet über die Russen. "Hier stehen an der Frontlinie Unerfahrene, die im Grunde genommen nur als Köder vorgeschickt werden." Ihn mache das auch traurig, sagt er.

Von Kriegstouristen und "Call of Duty"-Playern

Dass Ausländer in die Kriege anderer Nationen eintreten, ist historisch gesehen nichts Neues. Das gab es etwa im Spanischen Bürgerkrieg, im Syrien-Krieg oder in Jugoslawien. Warum Ausländer in fremde Kriege ziehen, dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe, erklärt der Militärhistoriker Sönke Neitzel von der Universität Potsdam:

Manche haben politische Gründe, manche tun es wegen des Geldes, es gibt auch eine Form von Kriegstourismus.
Militärhistoriker Sönke Neitzel

Auch Mehmet hat Menschen ohne militärische Erfahrung getroffen, die er "Call of Duty"-Player nennt, angelehnt an das beliebte Kriegs-Computerspiel. Diese Unerfahrenen sieht er sehr kritisch: "Wenn ihr keine militärische Erfahrung habt, keine Kampferfahrung habt, dann versucht auf anderem Wege zu helfen, aber versucht nicht, in den Krieg zu ziehen. Damit seid ihr nur ein Risiko für andere und auch ein Risiko für euch selbst."

"Der Krieg ist so etwas wie die Medizin für uns"

Mehmet war bei der Bundeswehr, auch in Afghanistan. Danach sei er aber aus den Streitkräften ausgeschieden, sagt er. Mehmet erzählt, er leide an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, kurz PTBS. Das ist eine verzögerte psychische Reaktion auf ein sehr belastendes Ereignis. Schlafstörungen, Angstzustände, Reizbarkeit können die Folgen sein.

Mittlerweile sind wir schon einige Leute, die vorher schon mit PTBS zu kämpfen hatten. Um ehrlich zu sein: Uns geht es hier irgendwie schon viel besser. Weder Schlafprobleme noch Albträume, die uns verfolgen. Also es klingt vielleicht hart. Aber ja, der Krieg ist so etwas wie die Medizin für uns gerade.
Mehmet, Deutscher im Ukraine-Krieg

Der Klinische Direktor der Psychiatrie vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Oberfeldarzt Frank Reuther, ordnet Mehmets Verhalten so ein: "Was er da macht, ist aktive Selbstschädigung. Er macht etwas, das aus seiner Sicht ehrenhaft ist und wofür er hofft, Anerkennung zu erhalten. Aber er muss sofort aus dem Krieg zurück und sich behandeln lassen."

Mehmets Familie schreibt, dass sie ihn vermissen

Am Abend schickt Mehmet mir ein Video, das die Flugabwehr der Ukraine zeigt: rote Feuer vor dunklem Nachthimmel. "Auf was die genau geschossen haben, weiß ich nicht", schreibt er mir am nächsten Morgen. "Da nichts großartig geplatzt ist, denke ich mal, dass es eine Drohne gewesen sein muss." Mehmet erzählt in neutralem, manchmal beiläufigem Ton - an den Krieg scheint er sich gewöhnt zu haben.

Seine Mutter schreibe ihm, dass er zurückkommen soll. Doch Mehmet will bleiben, bis der Krieg vorbei ist - und danach auch noch beim Aufbau des Landes helfen. Er glaubt fest an einen Sieg der Ukraine.

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21.09.2023
von Heike Slansky
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