Sechs Monate hatte Deutschland den Vorsitz in der EU-Ratspräsidentschaft inne. Bei einigen schwierigen Themen mit Erfolg, sagt Politologin Linn Selle im ZDFheute-Interview.
EU-Wiederaufbaufonds geglückt. Die Rechtsstaatsmechanismen gegen Polen und Ungarn durchsetzt. China-Gipfel abgesagt. Brexitdeal geschafft: Deutschland übergibt nach einem halben Jahr die EU-Ratspräsidentschaft an Portugal. Eine Bilanz.
ZDF: Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ist mit einer nie dagewesenen Krise zusammengefallen. Steht die EU danach besser oder schlechter da?
Linn Selle: Die Ratspräsidentschaft ist unter sehr schwierigen Bedingungen gestartet. Schon in der Vor-Corona-Zeit waren die Herausforderungen riesig. Dann kam zum Brexit und zum EU-Haushalt noch die Pandemie dazu. Trotz des holprigen Starts bei der Reaktion auf die Corona-Pandemie steht man heute schon besser da. Aber die Arbeit bleibt natürlich. Und auch die Europapolitik bleibt.
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ZDF: Eines der folgenschwersten Ergebnisse der deutschen Ratspräsidentschaft ist das Zustandekommen des EU-Wiederaufbaufonds. Wie wichtig war es, dass Kanzlerin Merkel dafür ihre bisherige Sparpolitik aufgegeben hat?
Selle: Das Wiederaufbauinstrument ist sicherlich ein Meilenstein. Da hat sich gerade die Bundesregierung sehr bewegt.
Insofern ist das ein ganz wichtiges Zeichen. Jetzt geht’s aber um die Umsetzung der Regeln. Und die muss man sicherlich auch noch begleiten.
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Darauf haben sich die EU-Staaten verständigtDie EU-Staats- und Regierungschefs haben sich beim Sondergipfel in Brüssel auf ein milliardenschweres Corona-Hilfspaket geeinigt. Der Haushalt hat eine Höhe von einer Billion Euro.
ZDF: Am Ende des Jahres ist es gelungen, die Auszahlung von Finanzhilfen an die Rechtsstaatlichkeit der Empfängerländer zu koppeln. Für wie wirksam halten dieses Instrument?
Selle: Es ist ein wichtiger Schritt, aber es wird nicht alle Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit lösen. Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir endlich eine Verknüpfung zwischen Haushalt und Rechtsstaatskonditionalität haben. Aber es müssen auch noch andere Elemente greifen. Wir müssen langfristig den Grundwerte-Artikel 7 des EU-Vertrags reformieren und wir müssen die Grundrechteagentur stärken. Da bleibt noch viel Arbeit übrig.
ZDF: Eine der großen Aufgaben für Deutschland war es, das Problem der Migration und der Verteilung von Flüchtlingen zu lösen.
Selle: Das ist eines der Themen, das am Ende der Ratspräsidentschaft offen bleibt. Das liegt auch daran, dass sich Corona-bedingt einige Vorschläge der Kommission wie der Migrationspakt verzögert haben. Das ist ärgerlich. Das Thema schwelt seit fünf Jahren und die ideologischen Fronten sind sehr verhärtet. Da hätten sich viele erhofft, dass gerade Deutschland, als ein Land, das die verschiedenen Perspektiven in Europa kennt, vorankommt.
"Italien und Griechenland haben öfter erfahren, dass in Brüssel viel geredet wird, aber konkret wenig getan wurde", sagt ZDF-Korrespondent Andreas Postel über den Asyl- und Migrationspakt.
ZDF: Am Anfang der Corona-Krise hat die EU nicht das beste Bild abgegeben, jedes Land war sich selbst das nächste. Wie hat sich das über die Ratspräsidentschaft verändert?
Selle: Der Beginn der Corona-Pandemie war ganz klar ein Solidaritätsversagen. Man sieht aber heute in der Koordination von Antigen-Schnelltests oder in der Kooperation bei der Impfstrategie, dass sich da viel verbessert hat.
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ZDF: Zum Jahreswechsel ist die Bundesregierung den EU-Staffelstab los. Was erwarten Sie vom nächsten Jahr?
Selle: Die Ratspräsidentschaft geht, Europapolitik bleibt. Wir laufen auf die Bundestagswahl zu, und da ist unsere Erwartung, dass alle pro-europäischen Parteien diskutieren, wie man Europa in die Zukunft führt. Dass wir einen pro-europäischen Bundestagswahlkampf haben, wo um die besten Ideen für die EU gerungen wird.
Das Interview führte Andreas Kynast, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.
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