Gedenken zum Ende des Zweiten Weltkriegs: Russen nicht willkommen
Gedenken an Kriegsende:8. Mai: Russen müssen draußen bleiben
von Andreas Kynast
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Russische Diplomaten sind nicht willkommen, wenn Deutschland den 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus begeht. Ein ehemaliger Bundestagspräsident äußert Zweifel.
Am 8. Mai jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Vertreter aus Russland sind nicht zum Gedenken eingeladen, daran gibt es auch Kritik.04.05.2025 | 3:48 min
Sergej Netschajew ist nicht erwünscht, aber trotzdem da. Mitgebracht hat er das russische Staatsfernsehen und einen Kranz in den Nationalfarben, auf dessen Schleife in goldenen Buchstaben "Botschaft der Russischen Föderation" steht. Er würde jetzt gern eine Rede halten, aber die Deutschen lassen ihn nicht.
Dass Botschafter Netschajew seinen Kranz überhaupt ablegen darf, vergangene Woche, beim Gedenken an den 80. Jahrestag des Aufeinandertreffens sowjetischer und amerikanischer Truppen in Torgau, ist ein Zugeständnis, das die Stadtväter schweren Herzens machen. Der Ärger fing schon vor Netschajews Ankunft an, als die Russen behaupteten, sie würden "der Einladung der Stadt Torgau Folge leisten". Es habe keine Einladung gegeben, stellte die Stadtverwaltung klar.
Auswärtiges Amt rät von Einladung ab
Russland ist nicht willkommen, wenn Deutschland an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 80 Jahren erinnert. "Keine Einladung an russische und belarussische Vertreter zu Gedenken" heißt es in einer vertraulichen, schriftlichen Handlungsempfehlung, die das Auswärtige Amt für Bund, Länder und Kommunen verfasst hat. Auch bei der Gedenkstunde am 8. Mai im Bundestag sollen Moskaus Diplomaten nicht auf der Tribüne sitzen.
Sollten Vertreter von Russland oder Belarus bei Veranstaltungen im Inland unangekündigt erscheinen, können Einrichtungen in eigenem Ermessen und mit Augenmaß von ihrem Hausrecht Gebrauch machen.
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Handlungsempfehlung des Auswärtigen Amts
Ob es wirklich nötig ist, eine derart allgemeine und verbindliche Vorgabe zu machen? "Da bin ich mir nicht sicher", sagt der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Das Einfühlungsvermögen der Veranstalter sei "mindestens so hilfreich wie eine noch so gut gemeinte Vorgabe staatlicher Autoritäten".
Der russische Botschafter beim Weltkriegsgedenken an den "Elbe-Day": Es ist eine schwierige Zeremonie im Windschatten des russischen Kriegs gegen die Ukraine.25.04.2025 | 2:36 min
Verständnis für Ukrainer
Lammert räumt ein, dass die Verantwortlichen Rücksicht auf andere Gäste nehmen müssten. Vor allem die von Russlands Angriffskrieg betroffenen Ukrainer könnten sich nur schwer vorstellen, mit ihren aktuellen Aggressoren an das Ende des Zweiten Weltkriegs zu erinnern "und so zu tun, als habe man seitdem gemeinsame Lektionen gelernt."
Auf der anderen Seite kann es keinen vernünftigen Zweifel daran geben, dass unabhängig von aktuellen Entwicklungen, so schmerzlich, so bedrückend, so brutal sie auch sein mögen, Opfer von Kriegen Anspruch auf Respekt haben.
Zur Gedenkstunde am 8. Mai hat der Bundestag alle akkreditierten Botschafter eingeladen, die Vertreter von Russland und Belarus aber nicht. Gern hätte "Berlin direkt" die Bundestagspräsidentin gefragt, wie das Parlament seine Entscheidung zwischen Geschichte und Gegenwart abgewogen hat, aber Julia Klöckner (CDU) stand für ein Interview nicht zur Verfügung.
Das Gedenken an 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs will der Bundetag als "Tag der Befreiung" begehen. Vertreter von Russland sollen zur Feier nicht eingeladen werden.
mit Video
Bundestagsvize begründet Ausladung
Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz (CSU) verteidigt den Ausschluss. Angesichts des brutalen Angriffs auf die Ukraine könne sie Forderungen, Russland zu beteiligen, "nicht nachvollziehen und auch ganz persönlich nicht gutheißen". Der Bundestag werde an die Leistung der Sowjetunion zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs erinnern.
Aber umso mehr gilt doch, dass sich Russland selbst die Frage stellen müsste, wie es nun auch diesen fürchterlichen Krieg beenden kann.
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Andrea Lindholz (CSU), Bundestagsvizepräsidentin
Was mit den Warnungen vor einer Instrumentalisierung des Gedenkens gemeint sein dürfte, zeigt sich in Torgau bereits an der Kleidung der russischen Delegation.
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Netschajews Provokation
Die orange-schwarze Schleife, die Botschafter Netschajew und all seine Begleiter an die Kragen ihrer Anzüge geheftet haben, ist das Sankt-Georgsband. Jahrzehntelang galt das Militärabzeichen als Symbol des Sieges über Nazideutschland, aber diese Bedeutung hat sich geändert.
"2014 ist dieses Band von prorussischen Kämpfern im Osten der Ukraine als Erkennungszeichen genutzt worden", sagt Jörg Morré, Direktor des Museums Karlshorst. "Das war eine Zeit, in der die russische Armee dort nicht offen auftrat und keine Hoheitszeichen verwendete." Seitdem zeigt die Schleife, wer seine Unterstützung für die russischen Angriffstruppen in der Ukraine ausdrücken will.
Der russische Diplomat Netschajew (links) trägt beim Gedenken in Torgau das Sankt-Georgsband.
Quelle: dpa
Medwedew spottet
In den russischen Staatsmedien wechseln sich Empörung und Spott über die Entscheidung der Deutschen ab. Der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew nennt es den "Gipfel des Zynismus", dass Russland nicht in den Bundestag eingeladen ist. "Aber die Bandera-Nazis, die sich vermehren wie die Typhus-Maden, dürfen kommen."
Quelle: dpa
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