Migrationspolitik: Hat die Union AfD-Forderungen übernommen?

    Fünf-Punkte-Plan zu Migration:Hat die Union AfD-Forderungen übernommen?

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Wie viel AfD steckt im Fünf-Punkte-Plan von Friedrich Merz? Alice Weidel behauptet, die Union habe die Forderungen bei der AfD "abgeschrieben". Ist da etwas dran?

    Alice Weidel (AfD) nach der Regierungserklaerung des Bundeskanzlers
    Alice Weidel im Bundestag: Wie sehr ist die Union in der Migrationspolitik auf ihre Linie umgeschwenkt?
    Quelle: ddp

    Der am Mittwoch im Bundestag mit Stimmen der AfD beschlossene Entschließungsantrag der Unionsparteien zu Verschärfungen in der Innen- und Migrationspolitik ist für die AfD ein mehrfacher Erfolg. Einer der Gründe: Die Rechtsaußen-Partei kann politisches Kapital daraus schlagen, dass die Union nun auf ihre Linie eingeschwenkt sei. Parteichefin Alice Weidel sagte bereits am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Wie geht’s, Deutschland?":

    Dieser Antrag mit den fünf Forderungen ist, was die Forderungen anbelangt, von der AfD abgeschrieben. Zur Wahrheit gehört dazu, dass die CDU genau diese Forderung sieben Jahre von uns abgelehnt hat. Das ist Fakt.

    AfD-Chefin Alice Weidel

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    Was steht im Fünf-Punkte-Plan?

    Zunächst ist der Fünf-Punkte-Plan kein neues Gesetz oder ein Text mit konkreter Folgewirkung für die Bürgerinnen und Bürger. Mit einem Entschließungsantrag fordert das Parlament die Bundesregierung lediglich auf, in bestimmten Punkten tätig zu werden. Entsprechend kommen die fünf Forderungen auch ohne präzise Umsetzung daher - sie sind politische Forderungen.
    Das sind die nun beschlossenen Forderungen der Union:
    1. "Dauerhafte Grenzkontrollen: Die deutschen Staatsgrenzen zu allen Nachbarstaaten müssen dauerhaft kontrolliert werden."
    2. "Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise (…). Dies gilt unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht."
    3. "Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freiem Fuß sein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden."
    4. "Mehr Unterstützung für die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht"
    5. "Verschärfung des Aufenthaltsrechts für Straftäter und Gefährder" - "zeitlich unbefristeter Ausreisearrest für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder".
    Im Sinne der Vergleichbarkeit begrenzt sich der Abgleich von Union- und AfD-Positionen darum allein auf politische Forderungen im Bundestag - Unterschiede mit Blick auf die spätere Ausgestaltung und Umsetzung bleiben außen vor. Auch ist die Migrationslage 2025 eine andere als in den Jahren zuvor und die CDU-Parteiführung heute eine andere als bei der Wahl 2017. Es werden also Forderungen aus verschiedenen zeitlichen Kontexten miteinander verglichen.
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    Was von diesen Forderungen wollte auch die AfD?

    Seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 hat die AfD zahlreiche Anträge zu Fragen der Migrationspolitik und inneren Sicherheit eingebracht. Mehrheiten hat sie dafür nicht bekommen. Die Unions-Forderungen Nummer eins und zwei finden sich dabei nahezu wortgleich in einem AfD-Antrag aus dem November 2017, den der Bundestag damals mit großer Mehrheit und auch mit Stimmen von CDU und CSU ablehnte.
    Darin forderte die AfD die Bundesregierung auf, "(…) sofort einen vollständigen und effektiven Schutz der deutschen Grenze - einschließlich der grünen Grenze - zu gewährleisten, das heißt umfassende Grenzkontrollen (…)." Und weiter: "diese Grenzkontrollen so durchzuführen, dass das Ergebnis eine grundsätzliche Zurückweisung von unberechtigtem Grenzübertritt bewirkt - dies auch in dem Fall, dass sich ein Migrant (…) auf Verfolgung oder Schutzgründe beruft."

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    In der zugehörigen Bundestagsdebatte im März 2018 nannte der CDU-Abgeordnete Detlef Seif den AfD-Antrag einen "Frontalangriff gegen eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union". Alle hier erwähnten AfD-Anträge umfassten jedoch auch weitere Punkte, die nicht von der Union übernommen wurden. Auch der von der AfD in dieser Woche mit beschlossene Antrag enthielt harsche Kritik an der EU-kritischen und Putin-freundlichen Haltung der Partei. "Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen." Diese Abgrenzung hielt die AfD jedoch nicht von einer Zustimmung ab.

    Was waren die AfD-Forderungen zu Abschiebehaft?

    Im September 2023 lehnte der Bundestag erneut mit Stimmen von CDU und CSU einen "Elf-Punkte-Plan zum Schutz der Grenzen" der AfD ab. Darin war auch die Forderung enthalten, "eine konsequente Rückführung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern in Verbindung mit der zeitnahen Prüfung der Förderungsmöglichkeit des Ausbaus von Abschiebehaftplätzen zu forcieren".
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    Mit dem Plan zum Ausbau von Abschiebehaftplätzen blieb die AfD in diesem Punkt sogar hinter der aktuellen Unionsforderung zurück, wonach vollziehbar Ausreisepflichtige "unmittelbar in Haft genommen" werden sollten.
    Die stärkere Unterstützung von Ländern beim Vollzug von Ausreisepflichten zieht sich durch eine Reihe von AfD-Anträgen im Bundestag. Ein Antrag vom 29. August 2023 fordert etwa die Befugnisse der Bundespolizei bei Abschiebungen auszuweiten, auch um so die Länder zu entlasten. In diesem vierten Punkt ist die Forderung der Union jedoch unkonkret, was einen detaillierten Abgleich der Positionen schwer macht.

    Was soll sich im Umgang mit Gefährdern ändern?

    Auch im letzten Punkt, dem Umgang mit Gefährdern, gibt es gewisse Überschneidungen zwischen den Forderungen von Union und AfD. Während die Union einen "zeitlich unbefristeten Ausreisearrest" für Gefährder und Straftäter fordert, setzte sich die AfD in einem Gesetzentwurf vom Oktober 2018 dafür ein, in das Asylgesetz eine "Präventivhaft" einzuführen, "die solange andauert, wie von dem Ausländer eine Gefahr für die Sicherheit" ausgeht.
    Auch der Parteienforscher Benjamin Höhne von der Technischen Universität Chemnitz sieht solche Parallelen. "Nach meinem Eindruck und vieler anderer wissenschaftlicher Beobachter lässt sich die CDU bei diesem Thema von der AfD antreiben", sagt Höhne ZDFheute. Was dabei besonders auffalle: "Migrationspolitik wurde versicherheitlicht, das heißt auf den Sicherheitsaspekt reduziert."
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    Fazit

    Ein einzelnes AfD-Papier aus jüngerer Zeit, das deckungsgleich alle aktuellen Forderungen des Entschließungsantrags der Union enthält, gibt es nicht. Es lassen sich jedoch verschiedene AfD-Forderungen aus den Jahren ab 2017 finden, die den aktuellen Forderungen aus dem Fünf-Punkte-Plan der Union in weiten Teilen entsprechen. Diese AfD-Anträge im Bundestag wurden von CDU und CSU durchweg abgelehnt. Meist umfassten diese AfD-Anträge auch noch weitere Forderungen, die nicht Teil des in dieser Woche beschlossenen Antrags sind.
    Es gibt also durchaus inhaltliche Parallelen in den migrationspolitischen Forderungen der AfD aus den vergangenen Jahren und aktuellen Positionen von CDU und CSU.

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    Quelle: dpa

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