AfD in Mecklenburg-Vorpommern: Woher kommt das Wahlergebnis?
Mecklenburg-Vorpommern:Wie die AfD die SPD überholte
von Susanne Seidl und Anja Kapinos
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In Mecklenburg-Vorpommern hat die AfD ihr Ergebnis bei der Bundestagswahl auf 35 Prozent verdoppelt und die SPD haushoch geschlagen. Was treibt die Menschen in der Region um?
Ostdeutschland hat bei der Bundestagswahl mehrheitlich AfD gewählt. In Mecklenburg waren es 35 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Warum? Eine Spurensuche im Nord-Osten.08.03.2025 | 4:47 min
Pasewalk, an der polnischen Grenze: Roland, ein älterer Mann, sieht die AfD als echte Alternative, da ihn die etablierten Parteien nur noch frustrieren würden: "Die ganzen Versprechungen, die von den Politikern gemacht worden sind, und nicht gehalten worden sind, das hat die Leute wirklich verärgert."
Auch eine 17-Jährige und eine andere junge Frau finden die AfD gut. Beide wollen anonym bleiben. "Mit den Ausländern ist es hier abends unsicher geworden. Es gab Vorfälle", sagt die 18-jährige Erstwählerin.
Auch Schwerin wählte blau
40 Prozent der Stimmen für die AfD in Pasewalk - das beunruhigt Installateurmeister Günter Buse. Eine Partei, die laut Verfassungsschutz in Teilen gesichert rechtsextrem ist - für Günter Buse ist das eine Gefahr für die Demokratie.
Für den Fall, dass sie mal an die Regierung kommen, habe ich Angst, dass sie an den Gesetzen so viel ändern, ihre Macht-Position ausnutzen, um dann ewig an der Regierung zu bleiben.
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Günter Buse, Installateuermeister
Die AfD hat bei der Bundestagswahl 2025 ihr Ergebnis verdoppelt – selbst in Regionen, die bisher fest in Händen anderer Parteien schienen.24.02.2025 | 2:30 min
Im Nachbarschaftstreff im Schweriner Plattenbaugebiet Mueßer Holz treffen sich diejenigen, die sich in der Altstadt keine Wohnung leisten können. Rollstuhlfahrerin Vera Siepmann ist schockiert, dass mehr als die Hälfte in ihrer Nachbarschaft AfD wählte. Das mache ihr Angst, zumal sie körperlich behindert sei.
Sebastian Lorenz macht gerade ein Praktikum in einem Tischlereiprojekt. Er war Leiharbeiter in der Müllbranche oder in Reinigungsfirmen. Die Arbeit, sagt er, die Schichtzeiten, der Lohn: alles unattraktiv. Er hofft auf Besseres, aber auf die Politiker gibt er nicht viel: "Da ist ja im Prinzip mittlerweile kein Wahlkampf, das ist ja einfach nur noch Kindergarten. Da will man schon gar nicht mehr den Fernseher anschalten."
Den "arbeitenden Menschen, die Familie" wolle die AfD "wieder in den Vordergrund der politischen Betrachtung rücken", so Dirk Nockemann, Hamburger Spitzenkandidat der Partei.28.02.2025 | 8:12 min
Widerstand gegen ein neues Flüchtlingsheim
Im Viertel Mueßer Holz wurden DDR-Platten saniert, es gibt soziale Projekte. Jetzt soll hier, wo schon viele Geflüchtete wohnen, noch ein Flüchtlingsheim entstehen.
Nachbarschaftshelferin Steffi Uhl weiß, dass es ohne Zuwanderung nicht geht, dennoch sagt sie: "Warum muss man so eine Konzentration von ausländischen Bürgern zulassen, wie man es jetzt hier mit dieser Flüchtlingsunterkunft macht? Hier ist schon alles geballt."
Deutlich mehr Stimmen als im Westen gingen in Ostdeutschland an die AfD. Wolfgang Muno, Politikwissenschaftler an der Uni Rostock, erklärt, im Osten engagierten sich viel weniger Menschen in politischen Parteien als im Westen. Das habe Folgen für die Parteien-Präsenz im Land, etwa für die schwächelnde SPD.
In der Touristenhochburg wird die in Teilen rechtsextreme AfD bei der Bundestagswahl stärkste Kraft. Rügen hat großen Bedarf an ausländischen Fachkräften. Wie passt das zusammen?05.03.2025 | 2:29 min
Experte: AfD zeigt Präsenz in bestimmten Regionen
Die SPD hat in ganz Mecklenburg-Vorpommern etwa 3.000 Mitglieder - und das, obwohl sie schon seit mehr als 25 Jahren an der Regierung ist. Auch die AfD hat nur etwa 1.500 Mitglieder im Land, aber sie konzentriert sich auf die Regionen, in denen die anderen Parteien relativ schwach sind und wenig Präsenz zeigen.
Dadurch könne die AfD besonders punkten, das sei ihre Strategie, sagt Muno. Es gehe also zum einen um die Präsenz - insbesondere in den "abgehängten Regionen und Stadtteilen". Zum anderen gehe es um die Ansprache der Menschen, das vermeintliche "Wir kümmern uns um euch".
Gelsenkirchen im Ruhrgebiet ist traditionell eine rote SPD-Bastion. Bei der Bundestagswahl gingen nun erstmals die meisten Zweitstimmen an die AfD.04.03.2025 | 8:45 min
Politikwissenschaftler: AfD spricht Probleme an, ohne sie zu lösen
Dabei spreche die AfD Probleme an, "ohne die Probleme zu lösen", sagt der Politikwissenschaftler. Das allein komme bei vielen schon an. Gerade beim Thema Migration gebe es sehr viele Vorbehalte in Ostdeutschland.
Die AfD schafft es dem Experten zufolge, drei Personengruppen anzusprechen:
Das eine seien überzeugte Rechtsextreme.
Die zweite Gruppe seien Menschen, "die fremdenfeindlich eingestellt sind, die Migration grundsätzlich ablehnen". Hier sei der Anteil in Ostdeutschland größer als im Westen.
Der dritte Teil seien "grundsätzlich unzufriedene Menschen" - die nicht zufrieden seien mit Staat, Demokratie und die die etablierten Parteien ablehnten.
Da gebe es auch ein sehr großes Potenzial in Ostdeutschland, sagt Muno: "Und das Ganze haben wir jetzt auch in Mecklenburg-Vorpommern."
Lange Zeit hat die SPD-Dominanz das so ein bisschen überspielt. Und jetzt zeigt sich, dass diese Gruppierungen allesamt zur Wahl gegangen sind und auch sehr stark eben AfD gewählt haben.
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Wolfgang Muno, Politikwissenschaftler Uni Rostock
Trotz des starken Abschneidens der AfD bei der Bundestagswahl könne das bei der Landtagswahl 2026 wieder anders aussehen. Es komme unter anderem darauf an, was eine neue Bundesregierung an Lösungen, etwa bei der Asylpolitik, zu bieten habe.
Susanne Seidl und Anja Kapinos berichten aus dem ZDF-Studio in Mecklenburg-Vorpommern.
Wie ist die Bundestagswahl 2025 in Mecklenburg-Vorpommern ausgegangen? Welche Partei wurde stärkste Kraft? Wie ist das Ergebnis in den Wahlkreisen?
von Luisa Billmayer, Robert Meyer, Moritz Zajonz
Quelle: dpa
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