Verfassungsschutz:AfD in Sachsen gesichert rechtsextremistisch
von Thomas Bärsch
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Der Verfassungsschutz in Sachsen hat den Landesverband der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Was das für die Partei bedeutet.
Ein AfD-Infoabend in Oppach bei Zittau, in Sachsen. Es war 2018. Ein Gast aus dem Publikum wendet sich an Tino Chrupalla, AfD. Er beklagt durch den hohen Zustrom an Ausländern würde es "uns Deutsche" irgendwann nicht mehr geben, sondern "ein Mischvolk". Das sei nichts anderes als "Völkermord". Tino Chrupalla gab dem Gast "teilweise recht", verwies auf Probleme mit der Migration und dass man hier eben auch durchaus von "Umvolkung" sprechen könne.
Vermutlich sind es Beobachtungen wie diese, die das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) dazu brachten, den Landesverband der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" einzustufen. Die Behörde habe vier Jahre lang intensiv geprüft, das 134-seitige Gutachten lässt keinen Zweifel an den "erwiesenen rechtsextremistischen Bestrebungen". Dabei ging es dem LfV weniger um das Parteiprogramm selbst, sondern um öffentliche Äußerungen von Repräsentanten, Mandatsträgern und hohen Funktionären auf allen Ebenen der Landespartei.
Anfang des Jahres wurde die AfD-Jugend "Junge Alternative" bereits als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. 26.04.2023 | 1:27 min
Der Landesverband - so das LfV - sei geprägt vom solidarisch-patriotischen Lager (dem früheren "Flügel"), dessen geistiger Vater Björn Höcke sei. Von rechtsextremistischen Äußerungen aus den eigenen Reihen distanziere sich der Landesverband nicht - und in der Migrationsdebatte verwende die Partei ideologische Kampfbegriffe wie "Umvolkung" oder vertrete völkisch-nationalistische Positionen wie die These, dass "zwei Dinge immer weiß sein, sollten: Weihnachten und Deutschland".
Weitere Beobachtung der AfD Sachsen nun möglich
Außerdem bediene sich der Landesverband verschwörungsideologischer Positionen, wie sie auch Reichsbürger verwenden und untergrabe so das Vertrauen in die Demokratie. Seine Quellen gibt das Landesamt nicht preis, verweist aber darauf, dass viele Belege öffentlich leicht zugänglich seien.
Nach den Landesverbänden in Thüringen und Sachsen-Anhalt ist die sächsische AfD der dritte Landesverband der AfD, der als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. Eine solche Einstufung hat zur Folge, dass der Verfassungsschutz geheimdienstliche Mittel ohne Einschränkungen einsetzen kann, um Informationen über extremistische Aktivitäten des Landesverbands zu gewinnen.
Quelle: dpa, AFP
Mit der Einstufung verfügt das Landesverfassungsgericht nun über erweiterte Möglichkeiten der Beobachtung. Auch könnten sich Konsequenzen für Beamte ergeben, die sich als Parteimitglieder im Parteiumfeld verfassungsfeindlich äußern.
Linke fordert Folgen nach Entscheidung
Dass trotzdem die Einstufung die AfD-Reihen eher schließen könnte, das hat sich in Sachsen-Anhalt und Thüringen gezeigt, wo es nach dem Votum des LfV keine erdrutschartigen Verschiebungen in den Umfragen oder gar eine Austrittswelle gegeben hätte.
Trotzdem sieht Sachsens Linke in der Entscheidung einen überfälligen Schritt, bei dem es aus ihrer Sicht nicht bleiben sollte: "Es wäre ein weiteres Geschenk an die Feinde der Republik und keine Zierde für die wehrhafte Demokratie, wenn die Einstufung ein folgenloser Verwaltungsvorgang bliebe", so Kerstin Köditz, Linke Landtagsabgeordnete.
AfD wirft Verfassungsschutz "Regierungsschutz" vor
Die AfD selbst geht heute nicht vor die Kameras. Die inhaltlichen Punkte, die der Verfassungsschutz anführt, stellt sie nicht konkret in Abrede, keinen einzigen. Die Partei, die im Verfassungsschutz ohnehin nur ein Werkzeug der Landesregierung sieht, belässt es bei einem schriftlichen Statement:
"Die Hochstufung war absehbar, weil die AfD derzeit stärkste Kraft in den Neuen Bundesländern ist. Trotzdem entbehrt die Hochstufung jeder sachlichen Grundlage. Der Verfassungsschutz ist schon längst zum Regierungsschutz mutiert. Und dieser Regierungsschutz verfolgt für jedermann ersichtlich einzig und allein wahltaktische Motive. Damit schadet er der Demokratie!"
Schadet die Einstufung der Partei?
Das Kalkül der AfD dürfte klar sein: Die Einstufung als Beleg für die Parteilichkeit des Verfassungsschutzes darzustellen und sich als Märtyrer zu inszenieren. Ob dieses Kalkül aufgeht? "Es kann natürlich dazu führen, dass Wählerinnen und Wähler jetzt erst Recht der AfD ihr Stimme geben", analysiert Prof. Hans Vorländer, Politologe in Dresden.
Dennoch könne es "aber auch sein, dass sich andere in der Wahlkabine dreimal überlegen, ob sie einer rechtsextremistischen Partei ihre Stimme geben oder nicht", so der Politologe.
So bleibt erstmal offen, wie sich die Einstufung auf den Wahlkampf auswirkt. Und auch, ob die AfD rechtlich gegen sie vorgeht.
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