Armutskonferenz in Bremen:Klimakrise trifft arme Menschen härter
von Nathalie Siegler
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Die Folgen der Klimakrise werden bestehende Armuts- und Gesundheitsrisiken weiter verschärfen. Bei der Bremer Armutskonferenz werden mögliche Lösungsansätze diskutiert.
"Die Armutskonferenz ist für mich ein so wichtiges Thema, dass ich mich sofort angemeldet habe", stellt Erika Biehl fest. Die Rentnerin lebt seit langem von Sozialhilfe und Jobcenter-Leistungen. Sie ist eine von 300 Teilnehmern der 6. Bremer Armutskonferenz, die sich dieses Jahr mit Klimakrise und Armut beschäftigen.
"Klimagerechtes Leben darf nicht vom Geldbeutel abhängen"
"Nachhaltiges und klimagerechtes Leben darf nicht vom Geldbeutel abhängen", sagt Birgitt Pfeiffer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Bremen. Es ist eine der zentralen Forderungen der diesjährigen Armutskonferenz, die im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindet.
Das diesjährige Thema lockte viele Teilnehmer vom frühlingshaftem Sonnenschein draußen ins Innere der Proberäume der Bremer Philharmoniker: Die 300 verfügbaren Plätze waren innerhalb von 48 Stunden ausgebucht.
Neben Wissenschaftlern und Politikern waren ebenso Vertreter aus Wirtschaft und Stadtentwicklung anwesend, die mit Privatpersonen und Mitgliedern aus sozialen Einrichtungen, Initiativen, Verbänden und Vereinen diskutierten.
Umweltsoziologe: Klimaschutz auch eine soziale Frage
Ausgangspunkt der Konferenz ist die Annahme, dass vor allen Dingen die Menschen unter den Folgen der Klimakrise leiden, die sie am wenigsten mitverschulden - die von Armut betroffenen Menschen.
"Man muss Klimaschutz als soziale Frage und nicht nur als technische Herausforderung begreifen", sagte Professor Bernd Sommer von der Technischen Universität Dortmund. Dies gelte global, aber auch deutschlandweit, so der Umweltsoziologe.
In Deutschland leben 13,1 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Besonders betroffen: Kinder, Alleinerziehende und ältere Menschen. In Bremen trifft es jeden Vierten - rund 198.000 Menschen.
Viele wohnen in schlecht gedämmten Gebäuden ohne Grünflächen, wo es im Sommer zu heiß wird und im Winter die Heizkosten in die Höhe treibt. "Die Problembären des Klimaschutzes sind die privilegierten Quartiere Bremens, nicht etwa die sozial benachteiligten Gebiete", so Armutsforscher Böhme.
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Reiche stoßen doppelt so viel CO2 aus wie Arme
"Wenn man jetzt die ärmsten zehn Prozent mit den reichsten zehn Prozent vergleicht, kann man zu dem Ergebnis kommen, dass die reichsten zehn Prozent doppelt so viel CO2 pro Kopf ausstoßen wie die Ärmsten der Bevölkerung", erläutert Böhme. Letztere seien jedoch "deutlich stärker von der Klimakrise betroffen", so Böhme, da sie "von der aktuellen Klimapolitik - Stichwort CO2-Bepreisung - überdurchschnittlich stark betroffen sind".
Eine Entwicklung, die durch steigende Kosten für fossile Energieträger künftig weiter verschärft wird.
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Grüner Wandel ohne soziale Schieflage
Wie Klimaschutz sozial gerechter gestaltet werden kann, wurde in sechs Foren auf der Armutskonferenz parallel diskutiert. Eine zentrale Forderung ist ein Sozialcheck für Klima-Maßnahmen, damit Förderprogramme und Anpassungsstrategien auch Menschen mit geringem Einkommen zugutekommen. Zudem brauche es ein Monitoring-System, das ökologische und soziale Daten verknüpft und Ungleichheiten zeigt.
Ein weiteres zentrales Thema war das Klimageld, das Einnahmen aus der CO2-Bepreisung gerecht umverteilen soll. Das könnte sozial Schwächere entlasten und steigende Energiekosten ausgleichen.
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Auch ein bezahlbarer und gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr wurde als Schlüsselmaßnahme genannt.
Klar für die Teilnehmer ist: Bislang hängen Nachhaltigkeit und Klimaschutz vom Einkommen ab.
Ihr Fazit: Klimaschutz muss ressortübergreifend gedacht werden - nicht nur als Umweltpolitik, sondern auch in den Bereichen Soziales, Verkehr und Gesundheit. Wie sich die Situation künftig entwickle, hänge stark von der neuen Bundesregierung ab. Darüber waren sich hier viele einig.
Quelle: dpa
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