BSW-Parteitag vor der Wahl: Gefährlich nah an fünf Prozent

    Analyse

    Parteitag in Bonn:BSW: Gefährlich nah an fünf Prozent

    Andrea Maurer
    von Andrea Maurer
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    Für das BSW geht es um alles: Etabliert sich die Partei im Parlament oder scheitert sie? Der Höhenrausch der Anfangszeit ist vorbei - nun trifft sich das BSW zum Parteitag.

    Buchstabenaufsteller "BSW" auf einer Bühne und Schatten von Menschen
    Das BSW trifft sich zum Parteitag in Bonn. Dort soll das Wahlprogramm beschlossen werden, in dem unter anderem die Rückkehr zu russischen Gasimporten gefordert wird.12.01.2025 | 0:21 min
    Es läuft nicht gut für das BSW. Nach der rasanten Erfolgsgeschichte bei den ostdeutschen Landtagswahlen kommt die Partei im aktuellen ZDF-Politbarometer bundesweit nur noch auf 4 Prozent.
    Das Ziel, dem Sahra Wagenknecht alles untergeordnet hat, ist in Gefahr: der Einzug als Fraktion ins Parlament. Heute nun trifft sich das "Bündnis Sahra Wagenknecht" in Bonn zum Parteitag. Knapp sieben Stunden, um die Partei auf einen kurzen und harten Bundestagswahlkampf einzuschwören.
    Umfragewerte des BSW (Stand: 10.01.25)

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    Kein Raum für Debatte

    Raum für Debatten gibt es kaum, aber den gibt es in der Partei ohnehin fast nicht. Noch immer hat die Partei nur etwa 1.200 handverlesene Mitglieder. Der Parteitag ist wie die Partei selbst auf einen reibungslosen Ablauf getrimmt.
    Nur: Es läuft längst nicht mehr alles glatt. Die Kritik in den eigenen Reihen am rigiden Aufnahmekurs und der "Führungsstruktur" wächst.
    Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht und AfD-Chefin Alice Weidel jeweils an einem Rednerpult
    Die AfD liegt laut aktuellem ZDF-Politbarometer in der Sonntagsfrage auf Platz zwei, das BSW abgeschlagen bei vier Prozent. Woran das liegen könnte, analysiert ZDFheute live.10.01.2025 | 33:04 min

    BSW: Innerparteiliche Kritiker werden lauter

    Prominentester Kritiker am Wagenknecht-Kurs ist der BSW-Europaabgeordnete Friedrich Pürner. In der Berliner Zeitung beklagt er den "autoritären Stil" seiner Partei und denkt offen über einen Parteiaustritt nach.
    Gut bekannte Ex-Linke würden die Macht unter sich aufteilen. Schon vor Videokonferenzen, Listenaufstellungen und Postenvergaben würden Kritiker "auf Spur gebracht".
    SGS-Wagenknecht-Sievers
    BSW-Chefin Wagenknecht gibt zu, dass sie die Lage kurz vor dem russischen Angriffskrieg falsch eingeschätzt hat. Trotzdem hätte ihrer Ansicht nach der Ukraine-Krieg "vermieden werden können".18.12.2024 | 8:04 min
    Nun könnte man sagen: Flügelkämpfe gibt es in jeder jungen Partei. Nur ist diese Partei insofern anders, als sie zentral um die Person gruppiert ist, die für sie Name, Gesicht und Programm gibt: Sahra Wagenknecht.
    Innerparteiliche Opposition ist eigentlich nicht vorgesehen. Und genau deshalb dürfte dieser Parteitag spannend werden. Denn es haben sich innerparteiliche Kritiker angekündigt.

    Unschöne Szenen beim Einlass?

    Wenn um 10:30 Uhr der Parteitag beginnt, werden zwei Parteimitglieder aus Hamburg, denen der Bundesvorstand eigentlich die Mitgliedsrechte entzogen hat und die er ausschließen will, versuchen, in das Bonner Kongresszentrum reinzukommen. Es könnten unschöne Szenen werden.
    Dejan Lazić und Norbert Weber stehen für das, was Sahra Wagenknecht unbedingt vermeiden wollte: Querulanten, die die Parteilinie infrage stellen und gegen die restriktive Aufnahmepraxis Klage eingereicht haben. Lazić und Weber halten die BSW-Parteistruktur für verfassungswidrig und gefährlich. Kürzlich haben sie sogar ihren eigenen Landesverband in Hamburg gegründet.
    Eine Frau geht mit einem Rollkoffer auf dem Rollfeld entlang
    Das Wahljahr 2024 wirbelte das politische Parteienspektrum durcheinander: Eine neue Partei namens BSW marschierte von Erfolg zu Erfolg. Wie ist es dazu gekommen?09.10.2024 | 35:29 min
    Der Bundesvorstand entzog ihnen daraufhin am 2. Januar die Mitgliedsrechte und leitete ein Parteiausschlussverfahren ein. Dass die beiden nun trotzdem öffentlichkeitswirksam kommen wollen, wirft einen Schatten auf den Parteitag.
    Es geht um die Frage, wie das BSW, das nach dem Top-down-Prinzip organisiert ist, mit Kritikern in den eigenen Reihen umgeht - und ob der Kurs der Partei auch Widerworte zulässt.

    Hat Wagenknecht ihre Partei im Griff?

    Der Eindruck, dass Sahra Wagenknecht die Kontrolle über ihre streng von oben nach unten kontrollierte Partei verloren hat, ist schon bei den Koalitionsverhandlungen in Thüringen entstanden. Eigentlich wollte die Parteichefin diese Koalitionsverhandlungen nicht.
    Nach einem zähen Machtkampf mit der Thüringer BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf aber wurden Wagenknechts Maximalforderungen dann doch abgeschliffen zu Kompromissen. Ein Grund waren die sinkenden Umfragewerte. Der Streit hatte die Partei Zustimmung gekostet und Wagenknecht gab am Ende nach.

    Wagenknecht in strategischer Zwickmühle

    Seit den Erfolgen bei den Landtagswahlen ist Sahra Wagenknecht auch in der strategischen Zwickmühle: Lautet der Auftrag ihrer Wählerinnen und Wähler an das BSW Opposition oder Regierung?
    Anders gesagt: In Sachsen, wo das BSW die Sondierungen mit CDU und SPD abgebrochen hat, sind diejenigen Anhänger enttäuscht, die vom BSW den Eintritt in eine Koalition erwartet hatten - in Thüringen sind diejenigen enttäuscht, die das BSW lieber in der Opposition gesehen hätten.
    Für Sahra Wagenknecht, die ihre Politik über den Wählerauftrag begründet, ist das auch ein Problem. Je nachdem, wofür sie sich politisch entscheidet, verliert sie Anhänger.
    Mohamed Ali: "Mehr Entspannungspolitik"  
    Das BSW fordere "Entspannungspolitik, gegen den Kriegskurs der anderen Parteien", sagt Amira Mohamed Ali, Co-Vorsitzende des BSW.10.01.2025 | 7:10 min

    Anti-Establishment-Wahlkampf zur Bundestagswahl

    Bei der Bundestagswahl setzt das BSW nun auf einen Anti-Establishment-Wahlkampf. Die "alten Parteien" seien "taub" oder hätten "versagt" - so ist es auf den Plakaten zu lesen. Frieden und Gerechtigkeit - das sind die beiden Themen, mit denen Wagenknecht auf dem Bonner Parteitag den Ton setzen will.
    Ihr Narrativ beim Thema Frieden: Ohne das BSW im Parlament würden die "Kriegsfalken und Taurus-Befürworter in der SPD nach der Wahl die Oberhand gewinnen" (so steht es im Wahlprogramm).
    Ihr Narrativ beim Thema Gerechtigkeit: Ohne das BSW würde eine neoliberale Partei wie die AfD die einzige Anti-Establishment-Partei im Bundestag sein.
    Am 23. Februar wird sich entscheiden, ob Wagenknecht ihr Ziel erreicht. Heute nun muss sie ihre rumorende Partei auf den Wahlkampf einschwören.
    Sollte das BSW an der 5-Prozent-Hürde scheitern, könnte ihr riskantes Parteiprojekt schon nach einem Jahr Geschichte sein. Kaum vorstellbar, dass Sahra Wagenknecht ihre Partei nochmal vier Jahre in der außerparlamentarischen Opposition aufbauen will.
    Andrea Maurer ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.

    Nachrichten zur Bundestagswahl