Klöckner zur Präsidentin gewählt:So war der erste Tag im neuen Bundestag
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Zur ersten Sitzung ist der Bundestag brechend voll. Julia Klöckner ist jetzt die zweite Frau im Staat. Und Gregor Gysis Rede ist eine "Enttäuschung".
Für Constantin Keitz ist es eine ungewohnte Situation. Er muss draußen bleiben. "Du kommst hier nicht rein", sagt ein Ordner vor der Besuchertribüne des Bundestags. "Zu voll."
Constantin Keitz
Quelle: ZDF/Rzepka
Keitz führt normalerweise Besucher durch den Reichstag und beantwortet ihre Fragen. "Information" steht auf seinem mintfarbenen Poloshirt. Heute, an diesem besonderen Tag, will er selbst einmal Besucher sein.
Ich will den Bundestag gerne einmal voll erleben. Normalerweise ist hier nicht so viel los.
Constantin Keitz, Mitarbeiter des Bundestags
Doch während drinnen die erste Sitzung des neuen Bundestags beginnt, kann Keitz nur seine Nase an die Außenscheibe der Tribüne drücken. Und muss warten, bis es drinnen leerer wird.
Alterspräsident Gregor Gysi
Als dienstältester Parlamentarier eröffnet Gregor Gysi (Linke) als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des 21. Bundestages.
Quelle: ZDF
Gysis Rede "eine Enttäuschung"
Drinnen hält Linken-Politiker Gregor Gysi als Alterspräsident aus Sicht vieler Beobachter eine erstaunlich schwache Rede. Fast vierzig Minuten lang streift er Themen wie den Nahost-Konflikt, den Zustand der deutschen Einheit und fordert, den 8. Mai, also den Tag des Kriegsendes, zum Feiertag zu machen.
Applaus bekommt Gysi oft nur von der Linken. Bei den anderen Fraktionen klatscht kaum jemand. AfD-Politiker Alexander Gauland, der eigentlich älter ist als Gysi, aber nicht so lange im Parlament sitzt wie er, fasst sich an den Kopf. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt phoenix, die Rede sei im Ranking der Ansprachen der Alterspräsidenten "unterste Stufe".
ZDF-Haupstadtkorrespondentin Christiane Hübscher analysiert, Gysi habe einen "irren Ritt durch den politischen Gemüsegarten" geboten. Er habe deutlich zu viel gewollt, dadurch sei alles zu kurz gekommen. Ihr Kommentar:
Das heute war eine Enttäuschung. Zwischenzeitlich dachten wohl viele im Plenum, sie hätten sich auf einen Linken-Parteitag verirrt.
Christiane Hübscher, ZDF-Korrespondentin
Baerbock mit Habeck im Restaurant
Vor dem Plenum haben Ordner alle Hände voll zu tun, die Gänge freizuhalten. Fernsehteams berichten live. Der Deutschland-Kurier hat einen AfD-Gesprächspartner nach dem anderen vor der Kamera.
Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach schäkert mit Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang. Im Restaurant nebenan haben sich Annalena Baerbock und Robert Habeck zurückgezogen. Auch Ex-Bundespräsident Christian Wulff ist da und Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert.
Drinnen wählt der Bundestag die ehemalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zur neuen Bundestagspräsidentin. CDU-Chef Friedrich Merz gratuliert als erster, CSU-Vize Dorothee Bär am herzlichsten.
Klöckner kritisiert geringen Frauenanteil
Klöckner sagt, sie wolle ihr Amt unverzagt ausführen - und sieht dabei in Richtung AfD. Sie werde nicht nur zur Einhaltung der Redezeiten auf die Uhr schauen, sondern auch hinhören.
Ich werde darauf achten, dass wir ein zivilisiertes Miteinander pflegen.
Julia Klöckner, Bundestagspräsidentin
Kritik äußert Klöckner am geringen Frauenanteil im neuen Bundestag. Es müsse mehr Anstrengungen geben, Frauen ins Parlament zu holen. Im Bundestag sind etwa 32 Prozent Frauen vertreten, vor allem AfD und die Union senken den Schnitt.
Welche Kritik es an Klöckner gibt
Grünen-Chefin Franziska Brantner sagt ZDFheute, sie hoffe, dass Klöckner die Herausforderung des neuen Parlaments annehme. Vor allem müsse sie den Anstand der Debatten sicherstellen.
Kritik an der neuen Bundestagspräsidentin kommt von der Organisation Lobbycontrol. Dass Klöckner bisher Schatzmeisterin der CDU war, stelle einen Interessenkonflikt dar und habe ein Geschmäckle. Schließlich sei sie nun auch für die Prüfung der Parteispenden im Wahljahr 2025 zuständig, von denen die CDU am meisten profitiert habe.
Wer zum Vize gewählt wird
Wenig überraschend wählt der Bundestag drei Stellvertreterinnen und einen Stellvertreter Klöckners:
- SPD-Politikerin Josephine Ortleb
- Ex-Grünen-Chef Omid Nouripour
- CSU-Innenexpertin Andrea Lindholz
- Ex-Ministerpräsident Thüringens, Bodo Rameleow von den Linken - wenn auch denkbar knapp.
Keine Mehrheit gibt es für den Kandidaten der AfD, Gerold Otten.
Gut endet der Tag für Constantin Keitz vom Besucherservice des Bundestags. Am Ende lichten sich die Reihen auf der Tribüne und er kann die erste Sitzung doch noch mitverfolgen. Das Warten habe sich gelohnt, sagt er.
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